Geloescht
ihnen trainieren kann. Als Ferguson gesehen hat, wie schnell ich laufe, hat er eingewilligt. Ich schätze, bei dir war es ganz ähnlich. Ich gehe davon aus, dass ich mit dem Team trainieren darf, um sie zu motivieren.«
»Aber macht dich das nicht wütend? Du bist mit Abstand der Beste im Team und darfst trotzdem nicht antreten. Das ist doch nicht fair.«
»Vielleicht bin ich der Schnellste, vielleicht bist du es. Vielleicht habe ich dich heute aber auch einfach nur gewinnen lassen«, hänselt mich Ben. Mir wird in diesem Moment bewusst, dass ihn das alles nicht wirklich juckt.
Aber anstatt noch wütender zu werden, resigniere ich innerlich. Ich fühle mich wie Phoebe auf Gianellis Zeichnung: isoliert und verzweifelt. Selbst Ben scheint, trotz seiner Sorge um Tori, nicht zu merken, wie die Dinge hier laufen und wie unfair das alles ist.
Ben fragt, ob ich vor der Gruppe am Donnerstag noch mal laufen will, doch wofür trainieren wir überhaupt? Aber ich sage zu, gerade als es zur nächsten Stunde läutet. Ich biete wohl einen ziemlich üblen Anblick: Meine Haare sind klatschnass, meine Kleider kleben an meinem Rücken und ich habe keine Zeit mehr zu duschen. Niemand wird in Englisch neben mir sitzen wollen.
Aber das ist ja nichts Neues.
Mrs Ali nimmt mich am Ende des Tages beiseite.
Sie lächelt ihr freundliches Lächeln und hat einen warmen Blick aufgesetzt. Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken.
»Kyla, Darling, wir müssen uns mal unterhalten.« Wir bleiben im Klassenzimmer, nachdem die anderen Schüler gegangen sind. Als mein Englischlehrer Mrs Ali entdeckt, murmelt er etwas von einer Tasse Tee und flieht schnell aus dem Raum.
»Wie geht es dir, Liebes?«
»Gut«, sage ich und winde mich unbehaglich in meinen feuchten Klamotten, die mittlerweile eiskalt sind.
»Gut. Macht dir irgendetwas Sorgen?«
»Nein«, lüge ich.
»Hör mir mal zu. Ich sehe da ein mögliches Problem. Es betrifft dich und deinen Freund Ben.«
Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. »Was meinen Sie?«
»Nun, Liebes, du bist erst seit â drei Wochen? â aus dem Krankenhaus.«
»Seit zweiundzwanzig Tagen.«
»Also ein bisschen länger als drei Wochen. Ich weià ja, dass Ben ein gut aussehender Junge ist und auch ein anständiger, soweit ich das beurteilen kann.«
Ich werde rot und kapiere langsam, worauf dieses Gespräch hinausläuft.
»Aber du weiÃt, Liebes, dass du dich auf die Schule konzentrieren musst, auf deine Familie und darauf, dich in die Gemeinschaft zu integrieren. Nicht auf einen Jungen.«
»Klar«, sage ich. »Kann ich jetzt gehen?«
Sie seufzt. »Kyla, mir ist auch bewusst, dass dein exzessives Training ein Weg ist, um die Ãberwachungsmöglichkeiten deines Levos auszutricksen. In Zukunft solltest du nicht mehr mittags mit Ben laufen. Ist das klar?«
»Ja«, antworte ich.
»Gut, dann kannst du gehen.«
Ich fühle mich wie vor den Kopf gestoÃen, als ich zu Jazzâ Auto laufe. Das Gespräch mit Mrs Ali verwirrt mich mehr als alles andere.
Ben
. Ich spüre einen Stich. Das heiÃt wohl, dass ich ihn in der Schule kaum mehr zu Gesicht bekommen werde. Dass ich nicht mehr laufen darf, ist nicht so schlimm, wenn ich eh nicht ins Schulteam komme. Warum sollte ich mir also darüber Gedanken machen? Obwohl Mrs Ali nichts vom Sonntagstraining gesagt hat. Aber vielleicht weià sie davon nichts.
Hat Mrs Ali ein Problem damit, dass ich Ben treffe? Oder nur mit dem »exzessiven Training«? Im Krankenhaus haben mir die Schwestern gesagt, dass ich aufs Laufband gehen soll, um mein Levo-Level oben zu halten. Will Mrs Ali, dass mein Wert fällt und ich zusammenbreche?
Jazzâ Auto steht nicht an der üblichen Stelle auf dem Parkplatz, aber ich entdecke es weiter vorn. Jazz hat sich bereits in die Schlange bei der Ausfahrt eingereiht, aber die Autos bewegen sich nicht. Was ist da los? Er und Amy steigen aus, als sie mich kommen sehen.
»Wo bist du gewesen?«, fragt Amy.
»Mrs Ali wollte mit mir sprechen.«
Sie schaudert. »Ist alles in Ordnung?«
»Alles rosig«, sage ich und will gerade weitersprechen, als ich Jazzâ Blick bemerke.
Er hört uns nicht zu. Seine Augen sind auf etwas hinter uns gerichtet, das Lächeln ist aus seinem Gesicht gefallen. Als ich mich gerade umdrehen will, legt er eine Hand auf meine
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