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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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»Mac hat recht – an deiner Stelle würde ich verduften.«
    Ich stand auf. Hätte ihre Idee in der Luft zerfetzen können, begnügte mich aber damit: »Das hier ist zwecklos. Wenn ihr keine vernünftigen Vorschläge habt, zieh ich mein Ding allein durch.«
    »Ich sag mal so: Das wird nicht einfach, wenn dir die Scheiße bis zum Hals steht.«

M eine Story erschien. Rasher hatte sein Versprechen mit der Verfasserzeile auf der Titelseite eingelöst. Neben meinem Namen war ein Foto – ich erkannte mich selbst kaum. Hoffte, das galt auch für jeden anderen.
    Ich irrte mich.
    Das Telefon klingelte. »Hallo, Mam.«
    »Angus, was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«
    »Mit meinem Gesicht?«
    Ich hörte, wie sie tief Luft holte. Sie sagte: »Ich hab dich in der Zeitung gesehen. In deinen eingefallenen Wangen könnte man Kartoffeln anpflanzen … Du isst nicht anständig.«
    Keine Silbe über die Leiche, den Fall. Ich zuckte die Achseln. »Tja, weißt du, ich bin ein vielbeschäftigter Mann, Mam.«
    Das schluckte sie nicht; vielleicht hatte sie den Artikel gar nicht gelesen. »Hab dich eine ganze Weile nicht mehr gesehen, Angus.«
    »Tut mir leid, Mam, ich wollte dich ja –«
    »Nun, du bist ein vielbeschäftigter Mann, wie du selbst sagst. Kann nicht erwarten, dass du dich dauernd bei mir meldest.«
    Ich zuckte zusammen. Ein Flattern im Bauch. Was konnte ich dazu sagen?
    Ich bekam auch keine Gelegenheit. Sie sagte: »Dann bist du jetzt wieder bei der Zeitung?«
    »Nicht direkt.«
    »Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als wir dich in Anzug und Krawatte gesehen haben … Kommt mir vor, als wär’s eine Ewigkeit her, seit du den Job hattest und Deborah und … Tut mir leid, mein Junge, ich rede zu viel. Ich denke einfach nicht nach.«
    »Mam, ist schon in Ordnung.« Ich machte weiter Small Talk, beschloss, mich nach meiner Schwester und meinem Bruder zu erkundigen. »Und wie geht’s Christine und Michael?«
    »Gut. Beiden gut.«
    »Prima. Gut. Das ist, äh, das ist gut.« Mein Gott, was sollte ich denn sonst sagen? Ich merkte, wie ich unwillkürlich auf die Uhr sah.
    »Jedenfalls bin ich froh, dass ich dich erwischt habe, mein Junge … Ich wollte dich nämlich etwas fragen.«
    »Um was geht’s denn?«
    Sie schwieg kurz, holte wieder tief Luft. »Ich wollte dich fragen … was du wohl dazu sagst, wenn ich ein paar der Pokale und Medaillen von deinem Dad verkaufe.«
    Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Das waren Dinge, die ich mir nie angesehen hatte. Aber, Grobian, der er war, fand ich, dass wir alle einen Beitrag dazu geleistet hatten, diese Pokale zu bekommen – mein Bruder und ich, auch unsere Schwester –, mit den ständigen Prügeln und Schelten. Meine Mutter hatte ihren Beitrag auf tausendfach schmerzhaftere Weise geleistet. Ich sah ihr Gesicht vor meinem geistigen Auge: eine Landkarte voller Falten und Verletzungen. Wie könnte ich ihr etwas abschlagen, worum sie mich bat? Ich hatte der Frau nie bei irgendetwas helfen können. Und wie die Dinge lagen, schien sich daran bis heute nicht viel geändert zu haben. Zumindest nicht zum Guten. Vielleicht sogar zum Schlimmeren.
    Ich sagte: »Mam, egal, was du tust, mein Okay hast du … was immer dich glücklich macht.«
    Ihre Stimme zitterte. »Oh, Gus, schön wär’s.«
    »Komm schon, Mam.«
    Sie fing an zu weinen. »Du hältst mich jetzt bestimmt für eine dumme alte Närrin.«
    »Mam, das bist du nicht.«
    Ich hörte, wie sie nach Taschentüchern griff, um die Tränen abzutupfen. »Also, kümmer dich nicht um mich, Gus.«
    »Mam, ich werde niemals aufhören, mich um dich zu kümmern.«
    »Nein, im Ernst. Ich flenne dir hier die Ohren voll, dabei hast du doch selbst genug Probleme, um die du dich kümmern musst … Du bist ein erwachsener Mann mit einem eigenen Leben, und ich habe kein Recht, meine Sorgen bei dir abzuladen. Tut mir leid, mein Junge. Kannst du mir jemals verzeihen?«
    »Mam, falls es irgendetwas gibt, was ich –«
    Sie unterbrach mich. »Mit mir ist alles bestens, es ist nur … also, als ich dich in der Zeitung gesehen habe, da hab ich angefangen, über die Pokale nachzudenken, es hat mich …«
    Sie suchte nach Worten.
    »Mam, du musst mir nichts erklären. Ich weiß Bescheid. Was immer du tust, pass nur immer gut auf dich auf.«
    Sie verabschiedete sich und legte auf.
    Ich legte den Hörer aus der Hand. Neben dem Telefon lag ein Buch: Knut Hamsuns Hunger. Ich blätterte gedankenverloren darin. Ich habe immer ein Buch dabei;

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