Gelyncht - Gus Dury ; 2
ch spürte einen Stich in den Eingeweiden. Ein Würgen. Dann klappte ich wie ein Scharnier zusammen, erbrach mich über die Leiche. Wo das herkam, war noch mehr, aber ich presste eine Hand vor den Mund, kämpfte gegen den Drang an.
Wie ich nach unten starrte, wollte ich instinktiv die Augen zukneifen, wegsehen.
»Heilige Scheiße«, sagte ich, »gottverdammte heilige Scheiße!« Es sah nicht gut aus. Das Gesicht war ein blutiger Brei, unidentifizierbar. Hätte jedes Alter, jedes Geschlecht sein können … Aufgrund der Körpergröße tippte ich auf einen Mann. Ich ging in die Hocke, nahm einen Zweig und stocherte in der losen Schicht Blätter. Das war mal ein flaches Grab; wer immer ihn hier abgeladen hatte, ihm war’s schnurzegal, wer ihn fand.
Kein Scheiß … Das hier war der Corstorphine Hill, direkt neben dem Zoo, eine gottverdammte Touristenfalle.
Überall in der Stadt wurden gerade Häuser hochgezogen; es gab nie eine bessere Zeit, etwas Beton über eine lästige Leiche zu kippen.
»Das ist doch gottverdammter Wahnsinn.«
Ich stocherte noch ein bisschen mit meinem Zweig herum. Es war der Leichnam eines Mannes, wir hier in Schottland nennen so jemanden schon mal Schmachtlappen oder auch ein Zentner klatschnass. Seine Handflächen waren völlig zerfetzt. Allem Anschein nach hatte er ein paar heftige Streiche mit einem scharfen Messer abgewehrt. Ich drehte die Hände um. Die Knöchel waren glatt.
»Einen tollen Kampf hast du denen aber nicht geliefert, Kumpel.«
Lange war er noch nicht hier, ich würde sagen, eher Stunden als Tage. Allerdings war er gründlich aufgeschlitzt worden – vom Hals bis zu den Nüssen, wie man so schön sagt. Tiefe Stichwunden hatten ihm Hemd und Jackett praktisch bis zur Nichtexistenz zerfetzt; im Grunde war er nackt bis auf Ärmel und Hose. Wie er hergekommen war und wer ihn hier abgeladen hatte, hatte ich keinerlei Verlangen herauszufinden. Aber alte Gewohnheiten schüttelt man nicht so einfach ab. Mit dem Zweig hob ich einen Flügel seines Jacketts an. In einer Innentasche steckte ein Portemonnaie; ich zog meinen Hemdsärmel über die Fingerspitzen und fischte das Ding heraus.
Zwei Zehner und ein Zwanziger. Ein Flyer einer Sauna in Leith. Eine Bankkarte der RBS. Ein Führerschein auf den Namen Thomas Fulton.
Der Name sagte mir nichts, war viel zu alltäglich. Doch das Gesicht auf dem Foto weckte eine vage Erinnerung; allerdings konnte ich nicht sagen, an wen. Ich steckte die Brieftasche wieder zurück.
Ich hätte sehr gut darauf verzichten können, in Thomas Fultons Lebenssaft zu landen. Meiner Erfahrung nach waren die Bullen nicht sonderlich erbaut von solchen Dingen am Schauplatz eines Mordes. So etwas wie Selbsterhaltungstrieb setzte ein und sagte mir, mich streng an die Vorschriften zu halten. Eine ziemliche Herausforderung für mich, aber die einzige Möglichkeit.
Ich legte den Zweig wieder hin, zog mein Handy heraus und wählte die 999.
Hörte: »Notrufzentrale. Wen möchten Sie sprechen?«
»Polizei.«
Ich warf einen letzten Blick auf die Leiche, sah noch mal eine volle Ladung dunkler Innereien und herausquellender Gedärme. Spürte, wie sich mir wieder der Magen umdrehte. Vermutete, dass mich dieses Bild eine ganze Weile nicht mehr loslassen würde.
Während der Mann in der Leitstelle mich durchstellte, kämpfte ich gegen meine Bedenken und Befürchtungen, gegen mein Bedürfnis abzuhauen, redete mir ein, dass ich genau das Richtige tat.
Eine feste, klare Stimme. »Notrufzentrale der Polizei.«
»Ja, hallo … Ich, äh, scheine da zufällig über einen…« – es war eindeutig ein Mord, aber ich wählte meine Worte vorsichtig – »Leichnam gestolpert zu sein.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung, und dann: »Sind Sie ganz sicher, dass die Person tot ist, Sir? Brauchen Sie einen Krankenwagen?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass er tot ist … Überall ist Blut, und dann liegt hier überall auf dem Boden eine Menge Zeugs herum, das sich eigentlich in ihm befinden sollte.«
Wieder Schweigen.
»Sir, würden Sie mir bitte Ihre Personalia durchgeben?«
Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. In was manövrierte ich mich da hinein? Sagte: »Ich heiße Gus Dury.« Meine Anschrift und der genaue Aufenthaltsort auf dem Corstorphine Hill folgten.
»Es sind jetzt bereits Beamte unterwegs zu Ihnen, Mr. Dury … Könnten Sie nach ihnen Ausschau halten?«
Zitternd: »Ähm, ja.«
»Die Beamten werden Ihre Aussage aufnehmen, sobald sie
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