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Gelyncht - Gus Dury ; 2

Gelyncht - Gus Dury ; 2

Titel: Gelyncht - Gus Dury ; 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ich saß. »Aber es hat sich angehört, als wolltest du unbedingt mit mir sprechen. Ich dachte, du müsstest dir etwas von der Seele reden.«
    Wieder Schweigen.
    Die Stille in der Leitung zog sich hin. Ich fragte mich, ob ich etwas sagen sollte.
    Und dann: »Gus, das war, bevor ich mit ansehen musste, wie du hinten in einen Polizeitransporter geworfen wurdest … wieder.«
    Meine Nasenflügel bebten. Ich weiß auch nicht, warum. Außerdem schüttelte ein Krampf meinen Kopf. Ich spürte, wie mein Zorn anschwoll. Es war die Ungerechtigkeit; es war immer das Gleiche. Das treibt mich an. Ich war völlig unschuldig an allem, was passiert war, und hier war Debs und piesackte mich deswegen.
    Ich fühlte mich wie in der Falle. »Nicht meine Schuld, ich bin –«
    »Unschuldig«, beendete sie für mich, »ja, ich weiß.«
    War das sarkastisch? Irgendwo am anderen Ende der Leitung hörte ich einen Wasserkessel pfeifen. Bewegung, Tassen klapperten auf einer Küchenoberfläche. Hörte sich nicht so an, als ob ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit hätte. Ich fühlte mich, als redete ich in eine Telefonattrappe oder wäre mit einem Callcenter verbunden, einem im Ausland, wo die Leute am anderen Ende der Leitung klangen, als würden sie ein Manuskript in einer Sprache ablesen, von der sie nicht ein einziges Wort verstanden.
    »Debs, das ist kein Witz.«
    »Gus, ich weiß.« Ihre Stimme hob sich beim letzten Wort, und dann schlich sich fast so etwas wie ein Lachen hinein. »Jonny hat’s mir erzählt.«
    Ich fühlte mich, als hätte ich einen Schlag in den Magen abbekommen, einen Schlag, den ich nicht hatte kommen sehen. »Ich vermute, du glaubst, dein neuer Mann wäre ein ziemlicher Fang … Täusch dich nicht, Debs.«
    »Gus, er ist nicht derjenige, gegen den Anklage wegen Mordes erhoben wird.«
    »Eine frei erfundene Mordanklage – das sind die Worte, die du ausgelassen hast.« Ich spürte, wie sich mein Puls beschleunigte, keine sechzig Sekunden hatte es gehalten, so gut habe ich zurzeit mein Temperament im Griff. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich einen Mann hätte umbringen können, oder?«
    Ein Seufzen. Laut genug, um auch noch diesen speziellen Tonfall unterzubringen, der da sagt: »Ist das dein Ernst?«, oder schlimmer noch: »Ist mir scheißegal.«
    »Gus, ich muss los.« Sie war kurz angebunden.
    »Debs«, fauchte ich, »beantworte meine Scheißfrage.«
    Wieder Schweigen.
    Ein tiefes Luftholen.
    Sie zwang sich, sich auf die Worte zu konzentrieren, aber sie war abgelenkt. Ich wollte fragen, ob Jonny Come Lately vielleicht bei ihr war.
    »Gus«, sagte sie, »ich weiß gar nichts mehr.«
    »Du glaubst im Ernst, was er dir auftischt? Meine Fresse!« Ich hatte den Faden verloren. Lief heiß. »Deborah, ich dachte, du wärst besser als das. Siehst du denn nicht, dass er ein kompletter Vollidiot ist? … Er ist ein mieser, kleiner, dreckiger Scheißkerl, der sich durch Arschkriechen bis ganz nach oben schleimen will …« Ich ließ Dampf ab. Volles Rohr. War völlig außer Kontrolle. »Verdammte Scheiße, Deborah, ich dachte, du hättest mehr Verstand … Auf einen solchen Wichser reinzufallen.«
    Am Ende angekommen, wartete ich auf eine Antwort.
    Da kam nichts.
    Ich sah das Telefon an. Uhrzeit und Datum blinkten neben der Anzeige des Ladezustands des Akkus. Sie hatte aufgelegt.
    »Oh, Scheiße«, sagte ich.
    Ich wusste, ich hatte es geschmissen. Soweit es Debs betraf, war die Lage schlimmer, als ich gedacht hatte. Panik kam in mir auf. Wenn Jonny Johnstone eine solche Nummer bei jemandem wie Debs erfolgreich abziehen konnte, bei einem vernünftigen Menschen, der mich wirklich kannte, der eine gemeinsame Vergangenheit mit mir hatte, dann steckte ich gottverdammt wirklich und wahrhaftig bis zum Hals in dem braunen Zeugs.
    Ich steckte das Telefon in meine Tasche. Legte den Kopf in den Nacken. Die Wolke, die sich vor die Sonne geschoben hatte, hatte Gesellschaft bekommen. Dicke, fette schwarze Dinger. Wind kam auf. Kalter Wind. Der Himmel verfärbte sich leicht violett an den Rändern. Regen drohte.

I ch wusste, dass ich Debs noch mal anrufen und mich entschuldigen sollte, aber ich konnte nicht. Ich blätterte im Verzeichnis auf meinem Telefon, mein Finger schwebte wieder und wieder über der grünen Taste, aber es passierte nichts. Es ging einfach nicht. Völlig unverständlich nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht hatten. Aber so vieles davon ging mir heute an die Nieren. Es kam immer wieder alles hoch …
    Der

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