Gelyncht - Gus Dury ; 2
Priester hat damit angefangen, doch jetzt machen es alle. Scheinbar weiß es die ganze Stadt. Wohin wir auch gehen, bleiben die Leute stehen, starren uns an, schütteln den Kopf.
»Was ist dein Problem?«, sage ich, aber Debs lässt sich nicht darauf ein. Mein Blut gefriert, doch sie schaut weg. Selbst als man auf der Straße Zigarettenkippen nach uns schnipst und die Beschimpfungen anfangen.
»Lass es, Gus, lass es doch einfach … Es wird bald vorbei sein.«
»Niemals, Deborah, ich will nichts davon wissen. Was für ein Recht haben sie? Wir haben nichts Falsches getan … Wir haben gegen kein Gesetz verstoßen.«
Ich frage mich, wie lange das dauern wird. Wie lange wird es dauern, bis ich eingesperrt werde, weil ich jemandem eins übergezogen habe oder Schlimmeres? Aber Debs hat Oberwasser, hält den Kopf erhoben. Ich habe noch niemals jemanden mehr bewundert. Sie schwebt über all dem Gespött und Hass.
Nur eines geht ihr an die Nieren, der Anblick kleiner Kinder, die zu ihren Müttern gezerrt werden. Das treibt ihr die Tränen in die Augen, nachts, wenn wir allein sind.
Sie kommt damit klar, wenn die größeren Kinder Schimpfwörter rufen, lässt sogar zu, dass ich denen in den Hintern trete, die alt genug sind, es besser zu wissen. Aber dann wird es zu viel, selbst für sie, als das Wort VERFLUCHT auf unsere Schwelle geschmiert wird.
»Es ist zu viel, Gus«, sagt sie. »Es ist alles zu viel.«
»Sind doch nur Kinderstreiche«, sage ich, aber das lässt sie nicht gelten.
»Nein, es geht um das, was sie heute von uns denken. Wir sind nichts, wir existieren nicht.« Sie geht hinaus, kniet sich hin. Die ganze Straße kann es sehen. Das wollen sie. Sie schrubbt und schrubbt mit dem Ärmel ihrer Jacke an der Stufe.
»Hör auf damit, Debs. Komm rein.« Schaulustige finden sich ein, um zu sehen, wie ihre Tränen auf die Stufe fallen und in die unbeholfen geschriebenen Buchstaben verschmiert werden. »Debs, du ziehst hier nur eine Schau ab«, sage ich.
»Ist es das, was du von mir denkst?«, sagt sie. »Ich setze mich in Szene?«
»Nein, Debs.« Sie ist besser als alle anderen zusammen; bis jetzt hat sie die spöttischen Bemerkungen immer mit Würde ertragen. Es tut mir in der Seele weh, mit anzusehen, wie sie jetzt vor ihnen auf den Knien liegt. Was haben sie ihr bloß angetan? Sie war einmal so voller Leben, hatte mehr Energie und Lebenslust als jeder andere. Es trifft mich zutiefst, sie so zu sehen, aber meine Achtung vor ihr sinkt deshalb nicht, eher im Gegenteil. Sie ist viel mehr wert, als ich verdiene.
»Du schämst dich auch für mich, stimmt’s?«, sagt sie.
»Nein. Nein … Hör jetzt auf damit!« Ich packe ihren Arm. »Das hier wollen die doch nur – dich geschlagen sehen.«
Sie schüttelt meine Hand ab. »Dann lass sie doch glotzen.« Debs schrubbt weiter. Ihr Jackenärmel bekommt ein Loch, von ihrer Handfläche tropft Blut auf die Stufe, während sie immer weiter schrubbt und schrubbt. »Sollen sie doch sehen, dass ich geschlagen bin, wenn es das ist, was sie wollen. Sind sie jetzt glücklich?« Sie dreht sich zu ihnen um, brüllt sie an. »Seid ihr jetzt glücklich?«
Ich nehme sie in den Arm und führe sie zurück ins Haus. Sie schreit laut: »Nein! Nein!«
»Debs, bald ist es vorbei, genau wie du sagst.«
»Nein, Gus. Nein … Es wird nie vorbei sein«, heult sie. Tränen rollen über ihr Gesicht, und dann vergräbt sie ihren Kopf in ihren blutigen und schmutzigen Händen. Sie schluchzt lautlos, so als steckten alle Geräusche und Laute ganz tief in ihr, umschlossen von ihrem Schmerz, ohne eine Chance herauszukommen. Als sie die Hände sinken lässt und den Kopf zurücklegt, sehe ich in ihr Gesicht, blutig und dreckverschmiert, und frage mich, was ich machen soll. Ihr Mund ist geöffnet, sie versucht zu weinen, doch es geht nicht. Ihre Schreie bleiben in ihr gefangen. Sie wirkt eingefallen, so als wäre nichts mehr übrig außer unendlicher Kummer in ihrer Seele. Und ich weiß, er wird sie nie mehr verlassen.
I ch schloss die Augen.
Versuchte nachzudenken.
Es ging nicht.
Dann hörte ich: »Dury.«
Wenn man auf einer Parkbank sitzt und den Kopf nach hinten in den Nacken gelegt hat, ist ein Mann mit einem Halstuch vor dem Gesicht mit Abstand das letzte, was man sehen will. Verspiegelte Sonnenbrille und Schultern breit genug, um den Blick auf den Himmel zu verstellen.
Ich hatte gewisse Schwierigkeiten, das Bild auf die Reihe zu bekommen, denn aus meiner Perspektive stand er auf dem
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