Gemeinsam stark in Virgin River (German Edition)
installieren. Er verstellte den Spiegel so, dass er das Kind im Rückspiegel sehen konnte. Sein Lieferwagen war bis oben hin mit Hannahs Sachen vollgeladen; von der Kinderkrippe bis zum Hochstuhl. Was das Wickeln und Umziehen eines kleinen Mädchens betraf, war Paul zwar ein bisschen aus der Übung – doch er hatte Nichten, und man hatte ihn, als sie noch klein gewesen waren, häufiger als Babysitter eingesetzt. Deshalb erinnerte er sich auch schnell wieder an alles.
Paul hätte vor der Abfahrt aus Grants Pass bei Vanessa anrufen können, um ihr die Neuigkeiten mitzuteilen. „Sie hat mir ein Kind hinterlassen.“ Aber ehrlich gesagt machte ihm die ganze Sache eine Höllenangst. Er sorgte dafür, dass Hannah trocken und sauber war, gab ihr ein Fläschchen und fuhr mit ihr nach Hause.
„Ich hätte Vanni anrufen sollen“, erklärte er Hannah. „Es war blöd von mir, sie nicht anzurufen. Ich hätte ihr vier Stunden Zeit zum Nachdenken verschafft. Aber schau mal, die Idee, dich mit zu mir nach Hause zu nehmen, war von Anfang an ein ganz blöder Einfall. Es passt einfach nicht in unsere eigenen familiären Pläne. Es war alles ganz logisch und vernünftig, bis ich dich sah. Bis du mir den Hals mit Himbeerbrei beschmiert hast.“
Hannah nahm das Fläschchen aus dem Mund und stieß ein lautes Bäuerchen aus.
„Das war aber fein“, lobte Paul sie. „Trink den Rest auch noch aus und dann mach die Äuglein zu. Die Fahrt dauert lange.“
„Ma!“, sagte sie laut.
„Unglücklicherweise hast du es jetzt mit mir zu tun. Aber hey, du könntest diese Ma-Nummer mal bei Vanessa probieren, sobald wir da sind. Du wirst alle Tricks brauchen, die du drauf hast.“
Dann schwieg er und konzentrierte sich aufs Autofahren. Hannahs Nuckelgeräusche waren kaum zu hören. Paul sagte so leise, dass Hanny es möglicherweise nicht hörte: „Deine Mutter war ein guter Mensch. Sie war genauso schön wie du und sehr lustig. Darum habe ich sie überhaupt das erste Mal wieder angerufen. Weil man mit ihr Spaß haben konnte. Ich glaube, du hast ihren Sinn für Humor geerbt. Ganz offensichtlich wollte sie nur das Beste für dich. Nicht, dass ich mich für das Beste halte, das dir passieren kann. Aber sie hat einfach getan, was eine Mutter, der ihr Kind nicht egal ist, immer tun würde. Sie hat jemanden gesucht, der sich, falls etwas passiert, um dich kümmert. Sie wollte einfach sichergehen, dass es dir an nichts fehlt.“ Er räusperte sich. „Und ich sorge dafür. Ich und Scott Hanson – wir kümmern uns darum.“
Er dachte, dass es vielleicht ganz gut wäre, sich schon mal zurechtzulegen, was er Vanessa erklären würde, aber ihm fiel nichts ein. Es stimmte auch nicht ganz, dass ein Blick auf das Mädchen seine Entscheidung komplett rückgängig gemacht hatte. Im Gegenteil. Das Kind passte immer noch nicht in seine Zukunftspläne. Aber er hatte sie angesehen und sich entschieden, diesem menschlichen Wesen nicht einfach so die kalte Schulter zu zeigen. Das konnte er nicht. Schon gar nicht, wenn es sich um ein hilfloses Kind handelte, das einem System übergeben werden sollte, das seine Interessen vielleicht nicht gut genug vertrat. Das Kind brauchte einen Fürsprecher. Und obwohl Paul nicht klar war, dass er dieser Fürsprecher war, fiel ihm dennoch niemand ein, der besser für diese Aufgabe geeignet gewesen wäre als er. Der leibliche Vater war es gewiss nicht. Er hatte das Kind schon verlassen, als es nicht größer als ein Samenkörnchen gewesen war.
Paul bog kurz vor der Ankunft in Virgin River auf einen Parkplatz ein, um Hanny frisch zu machen, sie ein bisschen mit Lotion einzureiben und dafür zu sorgen, dass sie ganz besonders süß aussah und ebenso duftete. Himmel, sie war wunderschön. Und als er sie auf dem Arm hielt, um zum Mülleimer zu gehen und die schmutzige Windel zu entsorgen, schlang sie die Ärmchen um seinen Hals und drückte den Mund vier Mal gegen seine Wange. Ein Babykuss. Sie verzog dabei kaum den Mund und kicherte.
Pauls Augen wurden feucht.
Er drückte das Mädchen an sich, während ihm Tränen über die Wangen kullerten. Er musste mehrfach schlucken. Sein Stimme war nur ein heiseres Flüstern. „Sieh mal, ich war nicht wirklich in sie verliebt, aber sie war ein feiner Mensch. Sie wollte dich, obwohl sie wusste, dass sie alleine mit dir klarkommen musste. Es tat mir fast schon leid, als sich herausstellte, dass ich nicht dein Papa bin. Dann hättest du noch jemanden gehabt, der dich beschützt.“
Die
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