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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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der Welt. Doch es gab andere Wege zu rebellieren. Stillere und effektivere.
    Ihre Geschichtsstudien hatten ihnen gezeigt, dass Aufruhr im Untergrund zu großen Revolten führen konnte, zum Sturz ganzer Reiche. Das würde Eliot von heute Abend an tun – sein ganz privates Aufbegehren gegen die Familie organisieren.
    Die Alternative bestand darin, weiter ein »braver kleiner
Junge« zu sein. Das war vielleicht vor seinem fünfzehnten Geburtstag noch eine Möglichkeit gewesen, aber jetzt nicht mehr.
    Er stellte den Rucksack aufs Bett, nahm beide Kopfkissen und setzte sich auf den Fußboden neben das Heizungsrohr.
    »Fiona?«, flüsterte er ins Gitter.
    Schweigen.
    Er würde die ganze Nacht hier sitzen bleiben, wenn er musste.
    Noch vor einer Stunde waren sie so glücklich gewesen. Als sie aus dem Abwasserkanal herausgestiegen waren, Robert den Beweis dafür, dass sie Souhk »bezwungen« hatten, überreicht und ihm erzählt hatten, wie sie vorgegangen waren. Sie hatten gedacht, sie hätten gewonnen.
    Aber im Grunde bedeutete es nur, dass sie die Chance bekamen, für die zweite und dritte Prüfung noch einmal von vorn zu beginnen.
    Und falls sie alle Prüfungen bestanden? Würden sie in die Familie aufgenommen werden? Würde es sogar noch mehr Regeln und Einschränkungen geben?
    Er war es leid, herumgestoßen zu werden.
    Eliot wühlte in seinem Rucksack und berührte die Geige, die im Gummistiefel steckte. Ihre Saiten vibrierten im Takt des Pulses an seinen Fingerspitzen – etwas, das man nur spüren konnte. Doch er traute Großmutters scharfen Ohren beinahe alles zu, also zog er die Hand zurück.
    Als Nächstes holte er das Mythica-Improba -Buch heraus und strich mit der Hand über den rauen Ledereinband.
    Fiona hatte darauf bestanden, dass er es im Keller verstecken sollte, aber er hatte nur so getan, als würde er nachgeben, um sie zum Schweigen zu bringen. Irgendetwas an diesem verbotenen Buch zog ihn an.
    Er öffnete eine beliebige Seite und sah eine alte Aufrisszeichnung eines uhrwerkgetriebenen Sphärenmodells mit kreisenden Planeten und Monden, Sternen und Kometen. Im Zentrum des Mechanismus saß ein Mann im Schneidersitz
und beobachtete alles. Neben die Zeichnung waren Notizen auf Griechisch auf die Seiten gequetscht. 36
    Das war erstaunlich, aber Griechisch war für Eliot bedeutungslos.
    Plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er sah auf, lauschte aufmerksam und musterte den Spalt am unteren Rand seiner Tür.
    Keine Schatten regten sich. Niemand war da.
    Nun, falls jemand hereinkam: Er las einfach ein Buch, das war alles. Er konnte es schließen, und es würde wie jeder andere der tausend Bände in seinem Zimmer aussehen.
    Langsam blätterte er die Seiten um. Sie bestanden nicht aus Papier, sondern aus Vellum, Kalbspergament von bemerkenswerter Zartheit.
    Eliot blieb bei einer Seite hängen, auf der in verschnörkeltem Mittelenglisch eine Geschichte über den Gott der Meere, Poseidon, und einen Trupp Wikinger stand. Poseidon führte die Wikinger über den Atlantischen Ozean in die Neue Welt. Die Geschichte las sich wie einer seiner Tagträume. Es gab Abenteuer mit Meerjungfrauen und Seeschlangen, wilde Stürme und Indianerprinzessinnen. 37
    Besonders faszinierend war, dass es eine winzige Strichzeichnung von Poseidon gab, wie er auf seinem übers Wasser
fahrenden Streitwagen das Langschiff der Wikinger über die stürmische See führte. Es gab nicht viele Details, aber die wie gemeißelt wirkenden Züge und durchdringenden Augen wiesen bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Onkel Henrys oder Großmutters auf.
    Oder Eliots.
    Er spürte eine Verbindung zu dieser Person, zu etwas lange Zurückliegendem, Fernem. Einen Herzschlag lang glaubte Eliot, dass es wirklich Götter und Göttinnen gegeben hatte und dass ihr Blut, ganz gleich wie verdünnt, nun ihn durchströmte.
    Er vertiefte sich weiter in das Buch, suchte nach mehr.
    Was würde es bedeuten, Teil dieser Familie zu sein? Er war sich nicht mehr sicher. Aber er war sicher, dass er weitaus mehr als eine Spielfigur sein konnte.
    Und was war mit der Familie seines Vaters?
    Als hätte er ihn heraufbeschworen, fand er, als er die Seite umblätterte, einen Holzschnitt des Teufels, der mittelalterliche Bauern mit Feuer und einer Forke folterte.
    Das Bild stieß Eliot ab. Er konnte nicht mit etwas Derartigem verwandt sein. Und doch ertappte er seine Fingerspitze dabei, die Fledermausflügel, die Hörner und den gezackten Schwanz nachzuzeichnen … fasziniert

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