Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
Fast schien es ihm, als hätte die Musik gegen ihn gekämpft, ein lebendiges, eigensinniges Wesen, das vor ihm davonlief.
Julie rückte näher an ihn heran und starrte ihm in die Augen. »Du bist der erstaunlichste Junge, der mir je begegnet ist«, flüsterte sie.
Eliot hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Etwas wie »Ich mag dich auch« fiel ihm ein, aber wie bescheuert klang das denn? Also lächelte er stattdessen. Vielleicht würde es funktionieren, wenn er stoisch schwieg.
»Hör zu …« Sie rutschte noch näher. »Ich plane schon seit langer Zeit etwas. Ich wollte niemandem davon erzählen, aber, na ja, dann habe ich dich kennengelernt.« Julie setzte sich aufrecht hin und verzog das Gesicht vor Konzentration.
»Du kannst es mir sagen.« Er legte Frau Morgenröte beiseite und nahm Julies Hand.
»Ich gehe.« Sie seufzte. »Weg von Ringo’s , Del Sombra und meiner dummen Stiefmutter. Von allem.«
Eliot verstand nicht, wie jemand einfach weggehen konnte. »Wann?«
»Ich kenne ein paar Leute in Los Angeles. Ich gehe heute Abend noch, bevor meine Stiefmutter sich betrinkt und mich auch noch die Treppe hinunterstößt.«
Julie schloss die Augen, und Tränen quollen unter ihren Lidern hervor. Sie entzog ihm ihre Hand und wischte sie sich rasch ab.
»Ich verstehe«, flüsterte er.
»Ja?« Sie sah ernsthaft erstaunt aus. »Ich dachte, du würdest versuchen, es mir auszureden.«
»Ich will nicht, dass du gehst; aber wenn du glaubst, dass es das Richtige für dich ist, dann ist es das wahrscheinlich auch. Ich würde dasselbe tun, wenn ich damit durchkommen könnte.«
Sie packte seine Hand. »Du kannst mitkommen. Ich habe einen Job in Aussicht. Eine Unterkunft. Wir könnten es zusammen schaffen.«
Solche Dinge passierten sonst nur in Eliots Tagträumen. Er wusste nicht, wie er antworten sollte. Natürlich wollte er mit Julie durchbrennen, dem hübschesten und nettesten Mädchen, dem er je begegnet war. Und natürlich wollte er nichts lieber, als aus Del Sombra wegzukommen – weg von den Regeln und Einschränkungen und Großmutter.
Aber ein mikroskopisch kleiner Teil von ihm würde Großmutter, Cee und natürlich Fiona doch vermissen.
Wer würde seiner Schwester helfen? Wie sollte sie die letzte Heldenprüfung ohne ihn überstehen?
Aber brauchte Fiona ihn wirklich? Wenn sie alles durchschneiden konnte, was sollte sie dann noch aufhalten?
Eliot erinnerte sich, wie sie weinend auf dem Badezimmerfußboden gelegen hatte, so schwach, dass sie kaum den Kopf zur Toilette hatte heben können.
Sie brauchte ihn.
Aber brauchte Julie ihn nicht genauso sehr?
Eines durfte er allerdings nicht vergessen: Davonzulaufen würde ihm nicht aus der Klemme helfen, was die letzte Prüfung betraf. Onkel Henry und die anderen hatten ihn einmal gefunden. Wie schwierig konnte es für jemanden mit all dem Geld und der Macht sein, ihn wieder aufzuspüren?
Doch er hatte selbst ein paar Tricks auf Lager. Er berührte Frau Morgenrötes glatten Klangkörper und schob sie dann vorsichtig zurück in den Stiefel.
»Wenn du doch nur noch ein paar Tage warten könntest«, sagte er. »So viele Dinge zu Hause würden sich dann klären.«
»Ich kann nicht noch ein paar Tage warten. Ich habe Angst.« Sie drückte seine Hand fester.
Eliot wollte lieber mit ihr gehen als sonst irgendetwas auf der Welt – und nicht nur, weil er vor seinen Problemen weglaufen wollte. Er würde auch auf etwas zu laufen: ein neues Leben.
Aber das würde unter keinen Umständen funktionieren. Er hatte zu viele Verpflichtungen.
Und wäre es fair gewesen, Julie in die Probleme seiner Familie mit hineinzuziehen? Wenn Onkel Aaron und Tante Lucia bereit waren, Fiona und ihn zu töten … würden sie dann auch nur mit der Wimper zucken, bevor sie Julie etwas antaten, wenn sie ihnen im Weg stand?
Julie langte nach oben und streichelte ihm die Wange. »Schon gut. Strapazier nicht deine Gehirnzellen mit Nachdenken.« Sie ließ seine Hand los und goss mehr Wein ein. »Verbring einfach den Nachmittag mit mir.«
Sie reichte ihm einen vollen Becher.
Er nahm ihn und nippte daran. Diesmal schmeckte der Wein besser.
»Aber …« Sie zögerte.
»Was?«
»Komm und verabschiede dich von mir. Heute Abend am Busbahnhof. Halb sechs.«
Eliot stellte geistig seinen in Stein gemeißelten Tagesablauf um. Er konnte gegen halb fünf von Ringo’s aus anrufen und Cee erzählen, dass er das Hinterzimmer aufräumen musste –
das würde ihm Zeit verschaffen, mindestens bis sechs
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