Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
spielte sehr gern auf seiner Geige … aber ihre Musik begann ihm auch Sorgen zu machen.
»Ich hätte da eine Melodie«, flüsterte er. »Etwas, das ich gerade erst gelernt habe. Aber es ist schwer.«
Fiona drückte ihm grob die Schulter und ließ dann los. »Entscheid dich besser schnell, ob du es versuchen oder lieber einem Geländewagen davonlaufen willst, kleine Partula turgida .«
Ihr Sarkasmus war mit Giftpfeilen gespickt, die unterstellten, dass es seine Schuld wäre, wenn sie gefangen genommen wurden, weil er es nicht versucht hatte.
Eliot wollte es ihr mit gleicher Münze heimzahlen und ihr sagen, dass sie doch die Fahrzeuge entzweischneiden sollte, wenn sie zu nahe herankamen.
Aber sie hatte Recht. Wenn sie erst auf dem Stützpunkt waren, würde es ihr gelingen, sie in die Bunker und durch die Satellitenhülle zu bringen.
Hier draußen war wirklich er am Zuge.
Am liebsten hätte er sich einen Tritt versetzt – er hätte auf der Wanderung darüber nachdenken sollen, nicht über die Familie.
Er zog Frau Morgenröte hervor und setzte sie sich auf die Schulter. Ihre Saiten vibrierten vor Vorfreude.
»Stell dich hinter mich«, sagte er zu ihr. »Nahe, aber sei mir nicht im Weg.«
Er setzte den Bogen auf die Saiten und spielte.
Er machte sich nicht die Mühe, sich mit dem Kinderlied »Irdische Verstrickung« aufzuwärmen. Dazu hatte er keine Zeit. Das Geräusch der Fahrzeuge war nahe. Er sprang gleich zum Mittelteil der Symphonie, die er in Louis’ Durchgang gesehen hatte – einen Teil, in dem die Musik in immer komplizierter werdenden Windungen verlief.
Eliot spielte schneller, und seine Finger bewegten sich über verschwommene Saiten, bis auch die Finger verschwammen.
Er ließ sich von seinem Instinkt leiten, erspürte die Töne und sah sie dann in seinem Verstand vor sich, wie sie auf dem Bürgersteig gewesen waren.
Das Lied wurde zu etwas Wildem, das er kaum im Zaum halten konnte.
Um ihn herum bewegte sich die Luft in Böen – hierhin und dorthin. Sand peitschte ihm ins Gesicht. Wolken verhüllten das Mondlicht. Er roch den Ozean und Seetang und hörte Schreie in der Dunkelheit, die nicht aus menschlichen Kehlen stammten.
Und im Hinterkopf hatte er den Gesang:
Fang im Leben Träume ein,
niemals ist der Schein gleich Sein.
Sinn verschwindet, sei es drum,
ewig geh’n Verdammte um.
Die Vibrationen der Geige türmten sich übereinander auf, und Echos hingen in der dichter werdenden Luft. Es klang, als würde eine ganze Reihe von Violinen, die alle mit Feuereifer spielten, Eliot begleiten.
Er sah den nächsten, noch komplizierteren Abschnitt der Symphonie in Gedanken vor sich. Der Fingersatz erstreckte sich über unmögliche Abstände.
Und die Melodie wurde dunkler: ein Gewebe aus Schatten und Schmerz.
Er würde das nicht spielen; es machte ihm Angst.
Das hier würde reichen müssen.
Er hörte auf … oder versuchte vielmehr aufzuhören. Die Musik hatte aber ein Eigenleben entwickelt, und er spielte weiter – Molltonarten und tiefere Töne, die seine Finger mitschleiften.
So ging das nicht. Er war der Spieler, nicht das Instrument.
Er kämpfte, versteifte die Finger, drückte fester zu, damit sie an Ort und Stelle blieben.
Frau Morgenröte krümmte sich, als der Druck sich in ihrem Klangkörper aufbaute. Eliot spürte winzige Risse im Holz.
Doch er drückte fester zu. Er musste die Kontrolle behalten.
Eine Saite riss und schnitt ihm in den Finger.
Eliot zog die Geige sofort von der Schulter. Er steckte sich den Zeigefinger in den Mund, um das Blut aufzusaugen.
Fiona trat näher an ihn heran und flüsterte: »Was hast du getan?«
Sie waren von Nebel und wirbelndem Sand umgeben, der in der Luft hing und im Mondlicht funkelte.
Es war keine Wolke. Schichten bewegten sich über Schichten. Als Eliot den Kopf schieflegte, sah er Wege durch den Nebel … wie in dem Spiegellabyrinth, durch das sie auf dem Rummelplatz gelaufen waren. Nur wellten sich diese Wände, lösten sich voneinander und schlossen sich wieder.
»Da waren Worte, die zur Musik gehörten«, flüsterte er. »Es ging darum, ewig umzugehen … in diesem Zeug, nehme ich an.«
»Gut gemacht«, zischte sie zurück. »Ich habe um ein bisschen Deckung gebeten, damit wir uns verstecken können, nicht um etwas, in dem auch wir hängen bleiben.«
Lichter erschienen in dem stummen Sturm: undeutliche Farbflecken, etwas, wobei es sich um Scheinwerfer handeln mochte – von denen mehrere sich auf sie zubewegten. Männer riefen
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