Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
»Ich war gleichermaßen von Leidenschaft benebelt. Wenn ich gewusst hätte, wer sie war …« Er gluckste. »Ich muss sie wirklich geliebt haben, um so blind zu sein. Wie kann man sonst ein derart weltumspannend törichtes Verhalten erklären? Leider ist seitdem schon viel Abwasser den Fluss hinuntergeflossen, wie man so schön sagt.«
Eliot verstand nicht, wie Louis in einem Moment noch sagen konnte, dass er sie geliebt hatte, und es im nächsten so bereuen konnte. »Hat sie dich nicht wiedergeliebt?«
»Natürlich, welche Frau könnte mich schon nicht lieben?«
Louis verneigte sich leicht vor den Schatten. »Aber als sie auf meine wahre, höllische Natur geschlossen hatte, dachte sie, ich würde dich und deine Schwester entführen. Meine Leute haben einen schrecklichen und höchst ungerechtfertigten Ruf. Aber wer glaubt in solchen Fällen schon dem Mann? Und wer macht schon der Frau ihre übereilten, hormonbeeinflussten Handlungen zum Vorwurf?«
»Sie hat dich von deiner Macht abgeschnitten.«
»So schneidend ist der Zorn einer Frau, mein Junge. Sei vorgewarnt! Es wäre besser gewesen, sie hätte mich getötet – dann wäre ich nicht gezwungen gewesen, in einem See menschlichen Selbstmitleids zu ertrinken.« Louis ballte die Hände zu Fäusten und kreuzte sie vor der Brust, als spüre er das Leid aufs Neue.
Eliot wollte ihm einen Arm um die Schultern legen und ihn so trösten, wie Louis ihn getröstet hatte, als er ihm von Julie erzählt hatte.
»Aber ich musste zu dir und Fiona zurückkehren«, sagte Louis. »Wo hätte ich sonst schon hingehen sollen? Ihr beiden wart alles, was noch geblieben war von dem, was ich anbetete. Wenn ich schon nicht länger mit der Frau zusammen sein konnte, für die ich bestimmt war, dann konnte ich wenigstens euch ansehen und mich an die Liebe erinnern, die wir einst geteilt hatten.«
Da war noch mehr – das spürte Eliot -, ein Berg größerer Wahrheit, der unter diesem Ozean der Täuschung lag. Louis hatte ihm gesagt, dass er ihm immer die Wahrheit sagen würde; aber es war immer gerade genug Wahrheit, um sich dahinter verstecken zu können.
»Und?«, fragte Eliot.
»Und was?«
»Und was ist der Haken? Bei euch gibt es doch normalerweise einen Haken, nicht wahr? Habt ihr Proben und Prüfungen, die Fiona und ich bestehen müssen? Oder gibt es auf dieser Seite der Familie andere Tricks?«
Ein Lächeln erschien auf Louis’ Gesicht. Es war breit und echt. »Natürlich gibt es einen Trick. Den gibt es immer.«
Louis sah zum lichtlosen Himmel auf. Die Sonne war untergegangen, während sie miteinander gesprochen hatten, und noch funkelte kein einziger Stern.
Eliot spürte etwas neben Louis – eine Schwerkraft, die an seiner Mitte zog. Das Atmen fiel ihm schwer.
Er kniff die Augen zusammen und entdeckte eine Silhouette hinter Louis in den Schatten. Es war nicht sein Schatten, es war der eines anderen. Diese andere Person musste die ganze Zeit über da gewesen sein, alles gehört haben … oder sie hatte sich einfach aus der Schwärze materialisiert.
Die Kerzenflammen neigten sich der schattenhaften Gestalt zu, als sie vortrat.
Es war ein Mann, aber er war viel hünenhafter als irgendjemand sonst, dem Eliot je begegnet war. So, wie Louis Eliot überragte, überragte dieser Mann Louis und ließ ihn wie ein Kind wirken. Der Mann hatte eine majestätische, entspannte Körperhaltung, als ob er über alles verfügen konnte, worauf sein Blick fiel.
Er trug einen Umhang aus Federn: Straußen-, Eulen-, Adlerund Pfauenfedern, die einen Moment lang wirkten wie Flügel auf seinem Rücken. Seine Brust war nackt; er war muskulös. Um seinen Hals hing ein Lederriemen, an dem ein grapefruitgroßer, geschliffener Saphir auf Höhe seines Brustbeins hing.
Eliots Blick versank einen Moment lang in den wässrigen Tiefen des Edelsteins. Verirrte sich.
Dann sah Eliot dem Mann ins Gesicht. Seine Züge waren scharf geschnitten wie die eines Vogels, aber hübsch und vollkommen. Eliot spürte eine Aura der Macht um dieses Geschöpf. Sie stieß ihn ab, und doch wollte er zugleich näher herantreten und sich darin sonnen.
Irgendetwas tief in ihm wusste, was das hier war: Es war in Eliots DNA einprogrammiert. Er wusste, dass das Wesen vor ihm Teil seiner Familie war.
Louis warf sich vor der in den Umhang gehüllten Gestalt nieder. »Gepriesen sei Beelzebub, Herr alles Fliegenden und Fürst der falschen Götter, vor dem alle zittern!«
Beelzebub trat an Louis vorbei, ohne ihn auch nur eines
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