Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Asien fegten und alles töteten, das ihnen Widerstand leistete.
    »Euer Onkel Aaron«, sagte Henry.
    Dann wandte er sich einem alten Mann zu, der im Schneidersitz
hinter diesem Onkel Aaron saß. Er hatte Notizen und Tabellen rings um sich verstreut. Seine Augen funkelten.
    »Onkel Cornelius«, sagte Henry.
    »Wir freuen uns sehr, euch alle kennenzulernen«, sagte Fiona.
    Das war wohl das Hirnrissigste, was sie je von sich gegeben hatte. Sie freute sich überhaupt nicht, hier zu sein oder auch nur einen von ihnen kennenzulernen. Sie hätte verlangen sollen, dass man ihnen endlich erklärte, was hier los war. Sie warf einen Blick zu Großmutter hinüber, die nickte. Wenigstens war es Fiona gelungen, überhaupt etwas zu sagen.
    Tante Lucia stand auf, und ihr schwarzes Kleid umspielte ihren Körper. Das rote Rosenmuster des Stoffs hatte dieselbe Farbe wie ihre Lippen und ihr Haar. Fiona kam sich in ihrem grauen Jogginganzug und mit ihrem öligen, hochgesteckten Haar unbeholfen vor. Wie erbärmlich musste sie in den Augen all dieser Leute aussehen?
    »Ihr habt eine lange Fahrt hinter euch«, sagte Lucia. »Sicher seid ihr müde, aber bitte tut uns den Gefallen und beantwortet uns einige Fragen.«
    Fiona straffte sich. Sie und Eliot waren gut darin, Fragen zu beantworten. Wenn es das war, was Onkel Henry mit einer »Prüfung« meinte, dann würde alles gut werden. Sie hatten Großmutters Fragen beantwortet, solange sie zurückdenken konnte.
    Fiona warf Eliot einen Blick zu, und er nickte.
    »Wir sind bereit«, sagte sie zu Lucia. »Fragt ruhig.«
    »Ich werde anfangen«, sagte Onkel Cornelius. Er hielt ein Notizbuch in der Hand und setzte seinen Bleistift zum Schreiben an. »Lieblingsfarben?«
    Auf die Frage war Fiona nicht vorbereitet. Sie hatte etwas in der Art wie »Was ist die Hauptstadt von Madagaskar?« erwartet. Niemand hatte sie je gefragt, welche Farben sie mochte.
    »Purpur«, platzte sie heraus.
    Das war das Erste, was ihr eingefallen war. Nicht lila wie Lavendel, sondern das dunkle Purpur, das die Farbe der Dämmerung war. Es war dunkel und tief und irgendwie traurig.

    Eliot runzelte vor Konzentration die Stirn. »Grau.« Cornelius kritzelte das hin und konsultierte dann seine Tabellen.
    Onkel Henry beugte sich vor und fragte: »Wenn ich geschlossen bin, bin ich ein Dreieck. Wenn ich offen bin, bin ich ein Kreis. Was bin ich?«
    Fiona liebte Rätsel. Eliot und sie hatten sie alle gelöst, als sie noch klein gewesen waren. Sie hatten jedes Rätsel in ihrer Bibliothek gelesen und auch alle gelöst, die Großmutter und Cecilia kannten. Deshalb waren sie irgendwann auf Vokabelbeleidigung umgestiegen, damit die Herausforderung erhalten blieb.
    »Ein Regenschirm«, sagten sie und Eliot gleichzeitig.
    »Aber eigentlich«, fügte Eliot hinzu, »bist du geschlossen ein Kegel.«
    »Und geöffnet eine Halbkugel«, sagte Fiona.
    Onkel Henry strahlte und wandte sich zu Cornelius um. »Man bemerke die mehrdimensionale Abstraktion.«
    »Ja«, murmelte Onkel Cornelius und strich mehrere mathematische Gleichungen durch.
    Aaron schnaubte und fragte: »Wie viele Quadrate hat ein Schachbrett?«
    Fiona wusste, dass ein Schachbrett vierundsechzig quadratische Felder hatte: Acht mal acht, abwechselnd schwarz und weiß. Aber es hatte auch Quadrate, die aus Kombinationen der einzelnen Felder bestanden, wie etwa Blöcke aus zwei mal zwei oder drei mal drei Feldern.
    »Fang mit den größeren Blöcken an«, flüsterte Eliot ihr zu.
    Fiona war verärgert – nicht, weil es ein schlechter Vorschlag gewesen wäre, sondern weil er Recht hatte: Auf diese Weise war es leichter.
    »Es gibt ein Muster«, sagte sie zu Eliot.
    »Ist mir auch gerade aufgefallen.« Jetzt war es an Eliot, verärgert dreinzusehen, weil sie es als Erste bemerkt hatte. »Eins, vier, neun …«
    »Die Quadratzahlen«, sagte sie zu ihm, »zuletzt Acht zum Quadrat, oder vierundsechzig einzelne Felder. Wenn man alles addiert, dann bekommt man …«

    »Zweihundertvier«, sagten sie gleichzeitig zu Onkel Aaron.
    Er nickte und starrte sie nicht länger an, als wären sie Bakterienpräparate.
    Cornelius sah von seinen Notizen auf. »Meine Berechnungen bleiben weiter im Gleichgewicht. Eine ausgeglichene Wahrscheinlichkeit, was die genetischen Möglichkeiten angeht.«
    Tante Lucia stieß ein langgezogenes, zischelndes Seufzen aus. »Ödipus hat die Rätsel der Sphinx gelöst, aber das hat auch nicht das Geringste über seine Abstammung bewiesen. Die Kinder sind intelligent, das