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Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils

Titel: Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Nylund
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voller Bücher, Rollleitern aus Messing und überdachten Laufstegen. Sie erstreckte sich bis in weite Ferne und musste Millionen von Büchern enthalten. Fiona sog den Geruch nach Papier, Leder und Alter ein. Wie zu Hause. Sie hätte ein Jahrzehnt damit verbringen können, den Raum zu erkunden.
    Onkel Henry ließ sie aber nicht herumbummeln; er scheuchte sie durch einen kurzen Flur, der durch die Luftdruckveränderung zischte, und dann ins Freie in einen überdachten Gang – wo sie unvermittelt am Abgrund standen.
    Der Wind peitschte durch Fionas Haar und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie band sich die Haare in einem Knoten hoch und sah, worauf Onkel Henry sie zuführte: eine schmale Steinbrücke, die im Bogen über brodelndes Wasser zu einer Insel führte.

    Als sie näher kamen, sah sie ein Geländer an dieser Brücke, das an manchen Stellen beschädigt und ohnehin viel zu niedrig war, um jemanden aufzufangen, der stolperte.
    »Hattest du das gemeint?«, fragte sie und strengte sich an, damit ihre Stimme den Wind übertönte. »Diese Brücke … ist das die Prüfung?«
    »Oh nein, Kind«, sagte Onkel Henry zu ihr. »Wenn ihr nicht entschlossen genug seid, das da zu überqueren, habt ihr nicht einmal ein Zehntel des Rückgrats, das nötig ist, um der Familie gegenüberzutreten.«
    Er wedelte mit der Hand, wie um anzudeuten, dass sie hinübergehen sollten … oder auch nicht. Er ließ ihnen die Wahl.
    Fiona sah Eliot an, und er nahm ihre Hand in dem Wissen, dass vier Füße auf der Brücke stabiler sein würden als zwei. Sie verständigten sich wortlos, dass keiner von ihnen das hier je wieder erwähnen würde, obwohl es ihre geschwisterliche Übereinkunft verletzte, sich nie zu berühren.
    Gemeinsam traten sie auf die brüchigen, ohne Mörtel vermauerten Steine. Wind umtoste sie, und so beugte Fiona die Knie und machte winzige, schlurfende Schritte. Die Brücke summte unter ihren Füßen und tönte durch die instabilen Luftströmungen.
    Fiona versuchte, auf ihre Füße zu blicken. Das hätte einfach sein sollen – schließlich waren ihre Füße das, was sie bei Ringo’s den ganzen Tag über ansah -, aber sie kam nicht umhin, die gezackten Felsen und das tosende Wasser unter ihnen anzusehen. Salzige Gischt brannte ihr in den Augen. Sie blinzelte Tränen fort und ging weiter. Sie musste. Wenn sie stehen blieb, würde Eliot wissen, dass sie eine Memme war. Das musste sie um jeden Preis verhindern.
    Den Blick auf die Füße gerichtet, ging sie weiter.
    Dann verschwanden ohne Vorwarnung die uralten Steine der Brücke, und sie trat auf dunklen Sand.
    Sie und Eliot ließen gleichzeitig die Hand des jeweils anderen los.
    »Seht ihr?« Onkel Henry kam hinter ihnen von der Brücke gehüpft. »Nichts dabei.«

    »Ja«, flüsterte Eliot. »Es war leicht.«
    Fiona warf ihm angesichts dieser Lüge einen finsteren Blick zu.
    »Hier entlang.« Onkel Henry führte sie in ein Amphitheater.
    Der Wind kam drinnen zum Erliegen, und Fiona fühlte sich, als sei sie in einem Aquarium. Ihre Großmutter saß auf der innersten Stufe vier anderen Leuten gegenüber: einer weiteren Frau und drei Männern. Großmutter blinzelte Fiona und Eliot an, mit einem unlesbaren, starren Ausdruck im Gesicht.
    »Gestattet mir, euch Miss Fiona Post und Mr. Eliot Post vorzustellen«, sagte Onkel Henry zu den Fremden. »Eliot, Fiona, das hier sind …« Er seufzte. »Ich werde all die verwirrenden ›Groß-Irgendwas‹ und ›Soundsos um drei Ecken‹ auslassen, wenn es euch nichts ausmacht.«
    Er trat vor die Frau hin. Sie war schön, wie ein Model oder eine Schauspielerin, und ihr Lächeln sorgte dafür, dass Fiona sich ganz entspannt fühlte … und zugleich misstrauisch.
    »Das hier ist eure Tante Lucia.«
    Hieß »Tante«, dass sie die Schwester ihrer Mutter war? War ihre Mutter so wunderschön gewesen? War es auch nur im Entferntesten möglich, dass Fiona so hübsch aussehen würde, wenn sie erst erwachsen war?
    Onkel Henry deutete als Nächstes auf den Mann mit dem goldenen Bart und den lockigen Haaren. Er trug Jeans, Turnschuhe und ein kurzärmeliges, weißes Hemd und lächelte sie an.
    »Euer Cousin Gilbert.«
    »Hocherfreut«, sagte Gilbert.
    »Und dann …« Onkel Henry wandte sich einem mürrischen Mann zu, der die Ellenbogen auf die Knie gestützt hatte. Er musterte sowohl Fiona als auch Eliot, als wären sie Bakterien unter einem Mikroskop. Sein herabhängender Schnurrbart erinnerte Fiona an Bilder von mongolischen Kriegern, die durch

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