Gemini - Der goldene Apfel - Nylund, E: Gemini - Der goldene Apfel - Mortal Coils
rosige Schimmer wich aus Tante Lucias Lippen, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
Doch Cousin Gilbert war schneller. »Eine gute Idee. Echte Prüfungen für echte Potenziale! Ich stelle hiermit den Antrag darauf«, sagte er.
»Ich unterstütze den Antrag«, setzte Aaron sofort hinzu.
»So langsam entwickelt sich das zu einer unserer besten Ratssitzungen überhaupt«, sagte Henry. »Also eine Abstimmung? Alle dafür?«
»Ja!«, sagten die vier Männer laut.
Lucia blieb stumm, aber sie starrte Großmutter in die Augen.
Nach einem Moment sagte Großmutter: »Natürlich sollten wir auf den ganzen Rat warten, um die genaue Beschaffenheit dieser Prüfungen festzulegen.«
Tante Lucia presste die Lippen zu einer weißen Linie zusammen und verneigte sich leicht vor ihr. »Natürlich.«
Zwischen ihnen ging mehr vor sich, als Fiona verstand, aber sie erriet, dass Großmutter gerade irgendeine Schlacht für Eliot und sie gewonnen hatte. Und Tante Lucia hatte verloren.
»Dann beugen wir uns der Weisheit des Rats«, sagte Großmutter.
»Nehmt ins Protokoll auf«, verkündete Tante Lucia, »dass wir diese Kinder mit drei Heldenprüfungen erproben werden. Das wird ihren Charakter beleuchten und ihre Abstammung näher bestimmen. Es wird vielleicht sogar beweisen, dass sie es wert sind, am Leben zu bleiben.« Sie starrte Fiona direkt an, die spürte, wie sie der letzte Rest an Kraft verließ. »Und ihnen möglicherweise das Recht erwerben, Teil dieser Familie zu sein.«
15
Die Nagas des Dharma
Sealiah strich mit einem scharlachroten Fingernagel über den Spiegel und zeichnete die geometrische Art-déco-Verzierung an seinem Rand nach. Die Knöpfe im Fahrstuhl bestanden aus Cabochonrubinen. Natürlich nur aus synthetischen, die noch dazu mit fettigen Fingerabdrücken beschmiert waren.
Der Fahrstuhl war typisch für das Babylon Gardens Hotel und das zugehörige Casino: eine Pappmachémaske aus Glitter und Chintz. Es war das pochende, blutende Herz von Las Vegas.
Sealiah hasste diesen Ort. Die Einarmigen Banditen betrogen einen. Die Krabbencocktails waren verdorben und die Drinks verwässert.
Sealiah zog den Träger ihres Kleides zurecht. Es bestand aus hauchdünnen Schuppen und silbernem Meerschaum und war für Klingen und Kugeln undurchdringlich. Sie wäre auch ganz ohne Träger ausgekommen – wenn sie überhaupt jemals Sittsamkeit heuchelte, dann nur, um jemanden zu verführen -, aber Angelegenheiten wie diese arteten oft in Brutalität aus, und mit einem Kleid, das sich einem um die Knie wickelte, konnte man nicht kämpfen.
Sie lehnte sich gegen die massige Gestalt ihres treuesten Dieners, Urakabarameel. Er trug seinen Corneliani-Smoking und sah aus wie ein Berg aus anthrazitgrauer Wolle; der einzige Farbfleck an ihm war die Krawattennadel mit dem Smaragdschädel, die ihn als einen der ihren kennzeichnete.
»Wir werden beobachtet.« Seine Stimme war ein Infraschallgrollen, das sie bis in die Knochen spürte.
»Ich habe mit nichts Geringerem gerechnet«, antwortete sie.
Sie drehte sich zu ihm um, knöpfte sein Jackett auf und schlang die voluminösen Falten um sich. An der verspiegelten Wand sah sie die Stockwerkszahlen des Fahrstuhls verkehrt herum vorbeirauschen. An seinen Brustkorb geschmiegt flüsterte sie: »So können wir uns unterhalten.«
»Wird es funktionieren?« Er hatte den Blick respektvoll gesenkt, aber um die Geheimhaltung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass sein Jackett sie weiter beschirmte, musste er die Arme um sie schlingen. Er tat es und zog Sealiah ein Stück näher an sich, als sie es für nötig hielt.
»Es besteht kaum eine Chance, dass irgendetwas funktioniert wie geplant, wenn es um unsere Familie geht.«
Sein Gesicht verdüsterte sich.
Sie fuhr sich mit der Hand das Bein hinunter bis zum Saum ihres Kleides und dann an der Innenseite ihres Schenkels empor. Als sie die kalte Metallscheide berührte, hielt sie inne.
»Wir haben keine Wahl«, sagte sie. »Diese beiden Kinder könnten eine gewaltige Bedrohung für uns sein – oder eine große Chance.«
Uri lächelte. Er hatte es noch nie zuvor gewagt, in ihrer Gegenwart zu lächeln. Also hatte er es wahrscheinlich begriffen: Vielleicht war dies der letzte Moment, den sie zusammen verbrachten.
Er war von Anfang an bei ihr gewesen. Ihn nun wegen eines weiteren eingeforderten Tributs zu verlieren … es wirkte selbst für ihresgleichen falsch, das zu tun. Aber so waren sie nun einmal. Wenn sie das Spiel spielen
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