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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Opfern in seinen Fangarmen ist unser Betreuer, der große Krake, wehrlos. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren. Ich weiß, daß du mich der Zentrale melden mußt. Für einen kleinen Vorsprung – aus alter Freundschaft – wäre ich dir sehr dankbar.“
    Spica nahm die Taucherkappe vom Wasserbett, rutschte zu Krabbe und reichte sie ihm. Ihre Makrelenaugen schimmerten tränenlos.
    „Bitte mich ausschleusen zu dürfen …“ Es klang wie eine Liebeserklärung. Aber so etwas gab es in Trident Village nicht.
     
    Krabbe schwamm. Zum ersten Mal fühlte er sein Herz wie eine überanstrengte Pumpe arbeiten. Fische flitzten an ihm vorbei oder hielten sich auf Parallelkurs. Der Richtungskompaß in seinem Tauchhelm ließ sich auf einen Leitton programmieren, der selbst einen Blinden noch sicher ans Ziel gesteuert hätte. Er hatte seinen Kurs sehr genau vorausberechnet und eingespeichert. Doch zum ersten Mal versagte die bewährte Orientierungshilfe. Ein Störfeuer von sich überlagernden Frequenzen deckte den Hauptimpuls zu. Krabbe ahnte die Zusammenhänge.
    „Spica, bitte melden. Spica, bitte melden“, keuchte er in das Kehlkopfmikrophon und ermahnte sich stumm, die Nerven zu bewahren.
    In U-27 hantierte die Gerufene vergebens an dem Schaltpult für Außenkommunikation. Sämtliche Übertragungs-Monitore spielten verrückt.
    Das Mädchen tippte mehrmals gegen die Mikrophonverschalung und sagte auf gut Glück: „Spica ruft Krabbe. Spica ruft Krabbe. Suche ohne Umweg Schutzbereich der nächstliegenden Rettungsboje auf. Over.“ Sie bekam keine Empfangsbestätigung. Die Flimmereffekte auf den Sichtschirmen hielten unvermindert an. Es sah aus wie Schneegestöber. Aber das kannten die Bewohner von Trident Village nur vom Hörensagen.
     
    Krabbe tauchte in den Lumineszenzkanal. In Holomascopdimensionen gewahrte er ähnliche Flimmereffekte wie Spica. Millionen Schwebstoffpartikel blitzten und flirrten durch den Lichttunnel der Unterwasserstraße.
    Ein Berührungselement schaltete die akustische Leitschiene aus. Bei dem Gepiepse und Pfeifen in den Kopfhörern wurde es Krabbe immer schwerer, sich auf die vorgegebene Richtung zu konzentrieren. Außerdem steckten ihm noch drei Schädelmuffen im Scheitelbein.
    Zum ersten Mal fiel dem geübten Schwimmer (er hatte einst als schwimmendes Wunderkind gegolten) die Beinarbeit mit den Profilflossen schwer. Er änderte die Ventileinstellung, um ein intensiveres Atemgemisch in die Lungen zu pumpen.
    Mit neuen Kräften schoß er im rechten Winkel aus dem Lichttunnel. Die nasse Dunkelheit schien sich an ihm festzusaugen. Ein paar Atemzüge lang entglitt ihm jedwedes Zeitgefühl. Wenn es Nacht ist, überlegte er, wird es über Wasser genau so dunkel wie hier unten sein. Dann aber …
    Er legte sich auf den Rücken und starrte angespannt nach oben. Endlich begann sich das schwarz verschleierte Grün ein wenig aufzuhellen. Doch der Schein trog. Mit einer kühnen Körperwendung wich er den langen Tentakeln aus, die gierig nach ihm griffen. Parallel zum Abwehrgürtel der fleischfressenden Pflanzen schwamm er weiter.
    „Ja, wedelt nur, wedelt nur“, redete er vor sich hin. „Um mich zu greifen, müßt ihr noch ein paar Meter wachsen.“
     
    In der Hauptzentrale des Großen Betreuers meldete der Informator ungerührt: „Mutationsobjekt K_- wie kritisch, krank, kontaktfeindlich – passiert Absorberboje.“
    Draco grinste böse. „Der entkommt uns nicht.“
    In U-27 fragte Spica zum wiederholten Male ins Außenmikrophon: „Wo bist du, Krabbe?“ Doch die gesamte Raumbeschallung sank auf Null ab.
    Krabbe war von Spica abgeschnitten. Da er aber inständig hoffte, daß seine Sendefrequenz doch noch von irgend jemand empfangen würde, begann er im Weiterschwimmen laut zu reden: „Schwacher Sonnenlichteinbruch durch Zuchtalgenteppich … Das Wasser um mich herum wird zusehends klarer … Die Umweltverschmutzung beginnt in unseren Gehirnen, Leute … weil wir vor lauter Anpassung verwesen.“
     
    „Großer Betreuer an Einsatzleiter. Mutationsobjekt K wird zur Disposition gestellt. Schlage Freigabe zur Befütterung vor.“
    Der Informator meldete den Vorschlag als gespeichert.
    Aus dem Zentrallautsprecher hörte man Krabbe laut keuchen. Der Lungenautomat verzerrte seine Botschaft.
    „Krabbe an Großen Betreuer. Krabbe an Großen Betreuer … Denkversuch erfolgreich … Die große Verheißung, Verblendung, Verblödung ist entlarvt … Vom Homo Trident zum Wegwerfmenschen … Wegwerfmenschen …

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