Gemischte Gefühle
sah Stahl- und Glaspaläste, die Sendetürme der Phantasmagoria und der SensiTivideo, einen schwarzen Vogel zwischen den Wolkenkratzern, dünne Wölkchen am schmutziggrauen Himmel und vermutete, daß die Sonne auch heute beschlossen hatte, nicht zur Gänze aufzugehen.
Na wenn schon. Vielleicht sollte er Die Sternenstürmer sowieso fahrenlassen. Weltraumgeschichten waren nicht sein Metier; das sollte er lieber Schenck oder Talliaferro oder Helmer überlassen. Und doch … Seitdem die Amerikaner ihre Titanstation aufgebaut hatten, war es schick geworden, an Abenteuern teilzunehmen, die auf fremden Welten spielten. Besonders die jungen Leute fuhren auf den Kosmos ab; man sprach sogar von einem leichten Rückgang der Drogentoten, seit der SensiFilm sich durchgesetzt hatte.
Gerber nahm einen Schluck aus der Schnapsflasche, rülpste befriedigt, warf einen Upper ein und betätigte die EIN-Taste des Computers. Die silberne, walfischähnliche Außenhülle der Explorer 12 nahm auf dem Terminal wieder Gestalt an. Die Sterne leuchteten kalt. Jetzt ein Szenenwechsel. Er stellte sich einen mit schweren, roten Teppichen ausgelegten Innenraum vor. Archivspeicherung BCX 1124. Die Einrichtung war futuristisch. Archivspeicherung CBC 2413. Runde Bullaugen gaben den Blick auf das nachtschwarze Vakuum frei. Zack. Auf einem zebrafarbenen Ruhelager – Raummitte? An der Wand? (Die Wand war besser; der Teilnehmer konnte dann auch noch die Sterne sehen) – rekelte sich eine mit schwarzen Stiefeln bekleidete Brünette, deren rechte Hand gerade im Begriff war, den obersten Knopf ihrer enganliegenden blauen Uniformjacke zu öffnen.
Ihr Blick war nicht lüstern genug. Gerber hielt die Szene per Knopfdruck auf dem Bildschirm fest und durchwühlte hastig die Akte mit den lasziven Brünetten. Ah, hier! Rita DeLano. Devra Fenriss wäre vielleicht auch nicht schlecht. Ihre Augen funkelten lüstern. Captain Joel Black …
Er kriegte den verdammten Kerl nicht hin! Gerber fluchte, spitzte die Lippen und konzentrierte sich auf das Foto von Justin Greville. Greville war ein teurer Mann, und an den Foto-Sessions, die sein Manager veranstaltete, nahmen die Fantasten gleich scharenweise teil. Gerber hatte das Glück gehabt, Greville gleich zu Anfang seiner Karriere kennengelernt zu haben, in der Blüte seiner Jahre. Jetzt war sein Stern ein wenig ins Sinken geraten. Man munkelte von zuviel Alkohol und Drogen. Für die Heldenrolle in einem Weltraum-Epos war er aber noch lange gut genug. Besonders die Mitteldreißiger identifizierten sich mit ihm.
Gerber prägte sich Grevilles Gesicht ein. Zack. Captain Joel Black materialisierte aus dem Nichts vor dem zebrafarbenen Ruhelager. Die Brünette öffnete die Jacke ihrer Uniform und ergriff seine Hand. In die Knie, Greville! Captain Black ging in die Knie. Er streichelte ihre …
Aus! Aus! Unmöglich. Gerber packte den Flaschenhals. Der Blick der Brünetten erinnerte ihn an den eines Schafs. Das nahm ihm keiner ab. Niemand konnte sich in eine schafsblöde Brünette verlieben. Das würde weder Brombach noch den Realisatoren gefallen. Schafsblöde Brünette waren außerdem nicht mehr in.
Jeder wußte das. Die Teilnehmer würden ihm das mit einem Knopfdruck quittieren. Und wenn die Einschaltquoten runtergingen …
Also noch einmal. Gerber trank einen Schluck aus der Flasche, zündete sich eine Zigarette an und konzentrierte sich auf die starre Szene auf dem Bildschirm. Die Augen der Brünetten funkelten lüstern und – willig. Ja, das war richtig. Captain Joel Black lächelte gewinnend. Niemand konnte ihm widerstehen. Er dachte an die tentakelbewehrten Zehntkonditionierten, die das Imperium der Menschheit bedrohten, und wußte plötzlich, daß sie mit ihren finsteren Plänen zumindest so lange nicht zum Zuge kommen würden, wie er …
Gerber bemerkte, daß er jetzt zwölf Stunden an diesem Gerät saß. Er war unkonzentriert. Die von Moorcock gestohlene Ansage widersprach dem Wohlgefühl, das die Teilnehmer spüren mußten, wenn sie den fertigen SensiFilm sahen. Er versetzte dem Computer einen Tritt und betrank sich bis zur Besinnungslosigkeit.
DAS WETTER: FREUNDLICH
Frühmorgens örtlich flacher Nebel, der sich rasch auflöst. Am Tag sonnig und trocken, Tageshöchsttemperaturen von 17 bis 20 Grad. Nachts klar und Abkühlung auf 6 Grad.
Am Morgen, als Gerber aufwachte, spuckte er Blut. Auf dem Weg zum Bad rutschte er aus, fiel der Länge nach hin und riß dabei das Spülbecken aus der Wand. Ihm
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