Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
anderes machen.“
    „Na schön“, sagte Harras. „Was können Sie denn? Haben Sie schon mal Werbetexte geschrieben?“
    „Werbetexte?“ Gerber schüttelte verwirrt den Kopf. „Ich bin kein Autor, sondern Fantast. Ich habe Blondie gemacht, und Peitschen-Ladys …“ Er wollte Luft holen, um seine weiteren Shows aufzuzählen, aber Harras kam ihm zuvor.
    „Action-Fantasten haben wir genug.“ Er schwieg für eine kleine Weile und sagte dann plötzlich: „Sagen Sie mal, sind Sie der Gerber?“
    „Der Gerber?“ fragte Gerber zurück. „Was meinen Sie damit?“
    „Der Gerber mit den Horrorstücken?“
    Ehe Gerber etwas sagen konnte, fuhr Harras fort: „Sie sind doch fertig, Mann. Ich dachte, Sie seien längst tot. Können Sie überhaupt noch einen Computer bedienen?“
    Klick.
    Diesmal war es Gerber gewesen, der aufgelegt hatte. Er zitterte und schüttelte sich. Er sollte fertig sein? Hatte ein Mann seiner Reputation es nötig, sich von diesem jungen Hüpfer abkanzeln zu lassen? Er hatte LeFanus Carmilla, Maupassants Horla, Lovecrafts Außenseiter und Jeschkes Die Anderen gemacht. Er hatte Blondie und die Peitschen-Ladys selbst konzipiert. Er hatte …
    SensiTivideo war seine letzte Hoffnung gewesen. Ein Mann seines Rufes verschenkte sich nicht an die kleinen Stationen. Er stand einen Moment lang da, starrte vor sich hin und kratzte sich hinter dem linken Ohr. Oh, er war noch lange nicht fertig!
    Das Durstgefühl ignorierend, ging er ins Badezimmer zurück, wusch sich, schlüpfte in die Kleider – Relikte erfolgreicherer Zeiten – und brühte sich einen Kaffee auf. Es war Ersatzkaffee, weil die Tantiemen jetzt nur noch tröpfchenweise flossen und die Einkünfte des letzten Halbjahres gleich Null gewesen waren. Bei der Phantasmagoria – also Brombach und Taplinger – stand er mit siebenundachtzig Stücken zu Buche, bei der Hardcore mit zweiundsechzig Füllern, die er unter Pseudonym fabriziert hatte. Aber die Hardcore setzte nichts mehr ab. Sie war wirklich fertig. Er hatte einer Verramschung seiner Stücke an mehrere kleinere Sender zustimmen müssen, um überhaupt etwas Geld zu sehen. Die Hardcore hatte die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt und die neuen SensiFilme für einen Flop gehalten. Aber sie hatten sich durchgesetzt, ungeachtet der kleinen Operation, der sich jeder Teilnehmer unterziehen mußte, um empfangsbereit zu werden. Man schaute nicht mehr hin, sondern nahm teil. Gerber hatte den Absprung zum SensiFilm rechtzeitig geschafft. Und nun brauchten sie ihn nicht mehr; jetzt, wo er ihnen seine besten Ideen für ein Butterbrot verkauft hatte. Er warf einen Blick in die Programmzeitschrift und studierte die Titel, die die Phantasmagoria heute ausstrahlte. Es waren eine Menge bekannter Fantasten dabei: Hornberg, Talliaferro, Zorn und Schenck. Und sie gingen immer noch nach dem gleichen Strickmuster vor: Jeden Abend eine Orgie frei Haus, mitten im Wohnzimmer, und man konnte sich darum herum setzen und das Gefühl genießen, dabeigewesen zu sein.
    Gerber schlüpfte in die Pelzjacke, fuhr mit dem Lift hinunter und zwang sich an dem uniformierten Hausmeister vorbei, der bereits wieder den fragenden Blick nach der ausstehenden Miete aufsetzte.
    Glücklicherweise konnte er ihm entwischen. Für die meisten Bewohner des Wupperzentrums war er immer noch ein Angehöriger der Upper Ten. Natürlich sprach ihn niemand an.
    Es war kalt draußen, trotz des relativ positiven Wetterberichts. Gerber ging an den Fluß hinunter, aus dem heiße Dampfschwaden aufstiegen, und beobachtete einige ärmlich gekleidete Kinder, die versuchten, sich in der Nähe der aufsteigenden Hitzewellen die Hände zu wärmen. Auf den Heizungsrohren, die an der Wupper entlangliefen, saßen ein paar Penner, ließen eine Wermutflasche kreisen und grölten ihm aus der Ferne etwas zu.
    „Herr Gerber?“
    Ein dünner Mann stand plötzlich neben ihm, zückte eine grüne Ausweiskarte und sagte: „Womit bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?“
    Gerber starrte ihn an. Der Mann sah ungesund aus, aber das Flackern seiner Augen deutete darauf hin, daß er sich ziemlich stark fühlte.
    Mit trotzig vorgeschobenem Kinn erwiderte er: „Ich wüßte nicht, was Sie das anginge.“ Er wollte weitergehen, aber der andere hielt ihn am Ärmel fest.
    „Haben Sie meine Karte nicht gesehen?“ fragte er. „Soll ich Sie Ihnen noch einmal zeigen?“ Er begann in der Manteltasche herumzukramen.
    „Hauen Sie ab“, sagte Gerber. „Ihre Karte interessiert

Weitere Kostenlose Bücher