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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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um seine Zeche zu bezahlen. Ich sollte von hier verschwinden und irgend jemanden besuchen, der bei mir in der Kreide steht. Er dachte eine Weile darüber nach und kam zu dem Schluß, daß er das besser nicht tun sollte. Ihm Fiel niemand ein, bei dem er nicht in der Kreide stand.
    Eine Stunde später, als er von der Toilette kam und die Treppenstufen vor seinen Augen anfingen sich zu verbiegen, wurde ihm klar, daß er nirgendwo mehr hingehen konnte; jedenfalls nicht in diesem Zustand. Er verlangte noch ein Bier, dann noch eins, suchte mit getrübtem Blick (und zum siebenten Mal) nach den Zigaretten und fand das Päckchen zu seiner Überraschung leer. Die Knobler waren aufgebrochen und durch andere ersetzt worden; der Betrunkene, der sich an der Frau zu schaffen gemacht hatte, schlief selig auf seinem Stuhl. Erst jetzt fiel Gerber auf, wie laut die Musik inzwischen geworden war. Mehrere grell geschminkte Frauen hatten auf den Barhockern Platz genommen und unterhielten sich mit einigen jungen Burschen, die offenbar auf Zahltagspatrouille waren und denen das Geld in der Tasche juckte.
    Verdammt, das Geld! Gerber murmelte „Zahlen!“ und griff in die Außentaschen seiner Pelzjacke. Als seine Finger sich um einen Schein schlossen, kam die ganze Theke plötzlich auf ihn zu und störte seine Balance. Die Frauen kreischten, als er unerwartet vornüber schoß, fünf volle Biergläser vom Tresen fegte, einer falschen Rothaarigen die Perücke vom Kopf riß und in einem Scherbenmeer zu Boden sank. Er mußte außerdem mit der Rechten gegen das Armbandsteuergerät gestoßen sein, denn im gleichen Moment erschien vor seinem inneren Auge das makellos glatte Gesicht des Nachrichtensprechers von Kanal eins und sagte: „… gesucht wird in diesem Zusammenhang der offenbar geistesgestörte ehemalige Fantast Stephan Gerber aus Wuppertal, der …“ Umfange mich, Nacht, dachte Gerber. Das letzte, was er fühlte, war die Spitze eines Stiefels, die gegen seine Rippen stieß.
     
    Hirschmann kam nach Hause, legte die Aktentasche korrekt am dafür vorgesehenen Platz im Korridor ab und ging sofort ins Wohnzimmer. Seine Frau rumorte in der Küche; offenbar bereitete sie für die Kinder das Abendbrot zu. Für ihn würde es nichts geben, aber Hirschmann hatte sowieso keinen Hunger. Er haßte seine Frau, und sie haßte ihn – zumindest liebte sie ihn nicht mehr. Die Scheidung lief, man unterhielt sich bereits seit Wochen nur noch über das Allernötigste.
    Das Wohnzimmer war sein Bereich, und dementsprechend sah es auch aus. Hirschmann warf einen mißbilligenden Blick auf das ungemachte Bett und die traurig die Köpfe hängen lassenden Topfblumen und zog das Jackett aus. Er hatte einen harten Tag in der Bank gehabt. Jetzt wollte er seine Ruhe haben. Er dachte an die kleine Groß von Kasse 5 und hatte sofort eine Erektion. Er stellte sich vor, daß sie ihn besuchen würde, sich auf dem Sofa ausbreitete und … Das Summzeichen unterbrach den Gedankengang. Hirschmann sah auf die Uhr, schloß die Wohnzimmertür hinter sich ab und warf sich auf das ungemachte Bett. Sein Körper versteifte sich, sein Blick wurde leer, seine Atemzüge flacher. In seinem Kopf breitete sich ein weißes Licht aus, erfüllte ihn, wurde zu einem langsam größer werdenden Schriftzug, und er las:
    SensiTivideo
    Die Ansage interessierte ihn nicht, denn er wußte, was nun kommen würde. Fanfaren erklangen, ein Farbwirbel wogte durch seine Sinne, und dann war er drin.
    Die Sache war klar. Die Papiere gaben ihm den letzten Beweis. Charnock versuchte zwar ihn abzuwiegeln, aber da war er gerade an den Richtigen gekommen. „Sie sind ein Narr“, sagte Hirschmann – oder McClintock, wie er jetzt hieß – zu dem schwabbeligen Mann, der die amerikanische Regierung in Peru vertrat. „Sie sind ganz genau der gottverdammte Narr, für den ich Sie schon immer gehalten habe.“ Er ignorierte den entsetzten Blick des Botschafters, klopfte auf die Luger, die in einem Halfter an seiner linken Schulter hing, und fügte hinzu: „Wenn Ihnen die Beweise nicht reichen – mir reichen Sie. Und ich werde jetzt handeln.“
    Charnocks Kinn zitterte, aber die dralle Blondine, die den Part seiner Sekretärin spielte, warf McClintock einen bewundernden Blick aus strahlend blauen Augen zu. McClintock – schon sein Name strahlte Härte aus – schob das Kinn vor und warf ihr seine Karte hin. „Ich habe heute abend noch nichts Besseres vor, Kindchen. Wenn Sie glauben, es mal versuchen zu müssen

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