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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Kopf geflimmert, dann begannen seine Knie zu zittern. In seinem Gehirn breitete sich eine nie gekannte Helligkeit aus. Panische Angst machte sich in ihm breit.
    Vorwärts oder rückwärts? Er hatte keine Chance. Weinend preßte er beide Hände vor das Gesicht. Die Knie gaben nach. Er lag plötzlich auf dem Boden. Die Aktentasche war weg, und in seinem Kopf kündete eine weibliche Stimme an, der Tod stehe bereit, um ihn jetzt abzuholen.
    Unmotiviert begann der Mann langsam über den kalten Asphalt zu kriechen. Jemand sagte etwas, aber es kam wie aus weiter Ferne. „Fehlt Ihnen was?“
    Die Stimme des Todes, der jetzt mit eisigen Fingern nach ihm griff, wischte die andere Stimme beiseite. Der Mann auf der Straße konnte nicht sprechen. Er konnte nicht einmal das besorgte Gesicht des anderen erkennen, der sich über ihn beugte. Ein junger Mann, nicht älter als er selbst. Er sah dem Gestürzten verunsichert in die Augen, schüttelte dann den Kopf und ging weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Die Autofahrer, die mit zusammengebissenen Zähnen vor der Ampel warteten, begannen mit einem ungeduldigen Hupkonzert.
    „Holt den Säufer da weg!“ schrie ein Mann, dessen rot angelaufenes Gesicht über die heruntergekurbelte Seitenscheibe hinweglugte.
    „Holt ihn von der Straße runter, verdammt!“
    „Weg da! Weg da!“
    „Kannst du denn nicht sehen, daß deine Ampel auf Rot steht, Mensch?“
    Der Mann auf der Straße sah überhaupt nichts. Er fühlte auch nichts mehr außer der Helligkeit in seinem Kopf und den klammen Fingern des Gespensts, das sich nun anschickte, seine Seele zu fressen. Seine Beine waren einfach nicht mehr vorhanden. Seine zitternden, allmählich absterbenden Hände tasteten verzweifelt nach einem Halt, aber es gab nichts, an das sie sich hätten klammern können.
    Gerber hatte den armen Kerl auf dem Zebrastreifen verrecken sehen. Er hatte im ersten Augenblick einem inneren Impuls folgen, auf den Mann zurennen und ihm auf die Beine helfen wollen, aber dann war er doch in der Haustür, die seine beschmutzte Kleidung vor den Blicken Neugieriger schützte, stehengeblieben.
    Anschließend kam er sich wie ein Schwein vor. Aber was hätte er tun soll? Es waren Hunderte von Leuten auf der Straße, die näher an dem Mann dran gewesen waren als er – und außerdem bestand die Gefahr, daß man ihn in seinem jetzigen Zustand für einen Penner hielt, der den Mann ausplündern wollte. Sicher, er hätte etwas tun sollen, aber nun war der Mann tot. Er hätte sich nur unnötig in Gefahr begeben.
    Woran mochte er gestorben sein? Ein Süchtiger? Ein Fixer, der auf Entzug war? Seine Kleidung war an sich gutbürgerlich gewesen, aber das mußte nicht viel besagen.
    Gerber fühlte, wie ihm schlecht wurde, und er wußte genau, daß sein Gewissen daran schuld war. Die Luft in diesem Hausflur stank zudem unerträglich nach verwesendem Fisch.
    Der Scheck und das Kleingeld, das Brand ihm überlassen hatte, begannen in seiner Tasche plötzlich zu glühen. Gerber berührte zaghaft die Münzen. Er gierte nach einer Sauerstoffdusche, aber es war noch zu hell, um den nächsten Straßenautomaten aufzusuchen und sich eine zu genehmigen. Er war ein Narr gewesen, Brands Angebot, ihn in seinem Wagen nach Hause zu fahren, nicht anzunehmen.
    Er wartete, bis die Dunkelheit einsetzte, dann löste er sich aus dem Korridor des halbverfallenen Hauses und drückte sich an der Wand entlang. Ein seltsames Zittern erfaßte ihn, als der Automat in greifbare Nähe kam.
    Vorsichtig sah Gerber sich um. Er war nicht mehr weit vom Wupperzentrum entfernt. Die Straßen begannen sich zu leeren. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er einen alten Mann, der, bekleidet mit einem grotesk wirkenden speckigen Frack, eine Mülltonne durchwühlte.
    Hastig steckte Gerber die silberne Münze in den Einwurfschlitz und stellte sich, den Kopf vorgebeugt, vor das kleine Gitter, aus dem gleich herrlich reine Atemluft strömen würde.
    Es machte besitzergreifend KLICK, als das Fünfmarkstück durch den Schlitz fiel und vom Münzprüfer anerkannt wurde. Sonst geschah nichts.
    In ohnmächtiger Wut drosch Gerber auf den Automaten ein. Er schlug sich die Hände blutig und schrie über den offensichtlichen Betrug empört auf. Dann klickte es unerwartet ein zweites Mal, und der Sauerstoffautomat überflutete ihn mit einer Wolke aasigen Gestanks, der seine Magenwände umstülpte und zu einem krampfartigen Zusammenzucken brachte. Er taumelte herum, tränenblind, lehnte sich

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