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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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geparkten Manta zu betrachten. In diesem Moment hält am Gartentor ein Taxi, und er zuckt zurück wie vom Affen gebissen. Wer entsteigt dem Taxi? Ist es Hallimasch Kongo, der Ex-Boxer mit dem eingedroschenen Hirn, einst „Killer von Kairo“ genannt, der Unterschriften gegen den Holocaust an Robben sammelt? Etwa Karlos Trogloff, Dipl.-Multi-Töter Ersten Grades und Mega-Kämpfer der A-Klasse, der den Auftrag hat, an eurem Autor kein Haar ungekrümmt zu lassen? Der Kritiker Alfredo de Pessar im costuma folklorewitsch, der selbigem Autor einmal persönlich und handgreiflich den Marsch blasen will? Ein Bewohner eines fernen Planeten, der gekommen ist, um ausgerechnet euren halbgescheiten Science Fiction-Autor in das intergalaktische Geheimnis des Überlichtantriebs einzuweihen? Eine strammärschige Blondine, die von der Sehnsucht verzehrt wird, ihm die Hand zu küssen? Nein, es ist seine leibhaftige Mutter, die katastrophal umständlich aus dem Taxi klettert, beinahe hinausfällt, dann den Bügel ihrer überflüssigen Handtasche am Türgriff verhakt, wankt und torkelt … ein Anblick, der Mitgefühl für alle Alten und Gebrechlichen erregen könnte, zerrisse die Tragikomik boshaften Greisentums nicht auf lange Sicht die meisten Geduldsfäden. „Herr im Himmel! Herr im Himmel!“ Euer geplagter Autor schlägt die Hände überm Kopf zusammen. Schon jetzt sieht er sich bei weitem überfordert. Da erinnert er sich an den vorhin gesichteten Slibowitz. Während seine Schwester ihre gemeinsame leibliche Mutter einläßt, gelingt es eurem vollkommen überlasteten Science Fiction-Autor, unter dem klumpigen, körnigen, schartigen Gemengsel, das den Linoleumfußboden der Küche bedeckt, ein unversehrtes Stamperl auszugraben. Gerade füllt er es mit dem süffigen Slibowitz, da knirschen Schritte auf den Scherben im Flur, und sein geliebtes Mütterchen stolpert über die Schwelle.
    „Ja, was machst denn du hier?!“ lautet der von aufrechter Entrüstung zeugende Ausruf, mit dem seine leibliche Mutter ihren lieben Sohn begrüßt. In sichtbarer Bestürzung verharrt sie, in den Knien leicht eingeknickt, den Kopf zurückgebogen, eine Hand an den Türrahmen geklammert. „Wieso bist du hier?“
    „Wieso nicht?“ Euer Science Fiction-Autor hat das Stamperl vom Kühlschrank genommen; nun verhält er verwundert inmitten der Bewegung, mit der er das Getränk an die Lippen heben wollte.
    „Du bist an allem schuld! Du hast doch zuerst all dieses Zeug geschrieben. Daher hatte Günther diese verrückten Einfälle.“ Seine Mutter nimmt eurem erstaunten Autor das Stamperl aus der Hand und gießt den Inhalt mit einem Zug hinab in ihre Gurgel. Verdutzt starrt ihr liebevoller Sohn sie an. „Du wirst uns noch alle hinter Gitter bringen.“ Sie ringt zwischen ihren Krallen einen alten schmuddligen Rotzfetzen und fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn, das von Unwissenheit, Alter und gehöriger Senilität gezeichnete Gesicht zu einer erbarmungswürdigen Duldermiene verzogen.
    Aber ihr lieber Sohn kann bei aller angebrachter Rücksichtnahme unmöglich gute Miene zu diesem bösen Spiel machen. Ihm sackt das Kinn herab. „Ich?! Einen solchen Quatsch habe ich niemals geschrieben oder gar vertreten, das möchte ich hier doch einmal unmißverständlich klarstellen.“ Euer verdatterter Science Fiction-Autor schwankt einen Moment lang zwischen Fassungslosigkeit und Erbitterung, Mitleid und Groll. Man soll Vater und Mutter ehren, solange sie nicht den Betrieb aufhalten, aber er vermag seinen Ärger nicht völlig zu verbergen. „Wenn es nun mit Günther so gekommen ist, dann wahrscheinlich, weil seine Mutter ihm in seiner Kindheit immer das Gesicht in den Spinat gedrückt hat, wenn er nicht essen mochte. Jeder normale Mensch weiß, daß traumatische Erlebnisse sich auf das spätere Leben auswirken. Ich brauche dich ja nur daran zu erinnern, daß du meinen Bagger zerbrochen hast, als ich fünf war, und seitdem …“
    „Haaa …!“ Seine liebe Mutter preßt sich die um den Spitzenfetzen gekrampfte Hand aufs Herz und reißt die Augen auf. „Und du? Du hast meinen Vorrat an Sicherungen weggeworfen … Du hast sie weggeschmissen, ohne mich zu fragen.“
    „Deine Sicherungen waren alle vierundfünfzig Stück kaputt.“ Euer Autor schenkt sich nochmals Slibowitz ein. „Alle vierundfünfzig Stück.“
    Wieder nimmt seine Mutter den Slibowitz. Und nicht nur das: Sie trinkt ihn auch; trinkt auch diesen köstlichen Slibowitz. Ihrem Sohn verschlägt

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