Gemischte Gefühle
dann über die Innenstadt mit den unzähligen Wolkenkratzern. Der Hubschrauber folgte der Interstate 70 schnurgerade nach Westen, genau auf die schneebedeckten Gipfel der Rockys zu.
Ralf schloß die Augen. Er wollte die rasch näher kommenden Berge nicht sehen. Um sich abzulenken, und die angespannten Nerven zu beruhigen, konzentrierte er sich auf ein Schachproblem. Innerhalb weniger Sekunden lagen seine Hände ruhig auf seinen Knien.
Peter kannte den Zustand, in dem sich Ralf befand, nur zu gut. Dieses Startfieber war unerläßlich. Sie hatten mit verschiedenen Medikamenten versucht, die Nervenanspannung zu mindern, doch die Ergebnisse waren nicht sehr erfolgreich gewesen. Außerdem gab es nichts zu besprechen. Vierzehn Tage lang hatten sie die WM-Strecke gründlichst studiert. Ralf wußte ganz genau wo die schwierigsten Stellen lagen. Alles war gesagt worden.
Der Hubschrauber landete unweit des Startgebäudes in dreitausend Meter Höhe. Sie stiegen aus.
Hier oben war es noch kälter. Rasch liefen sie auf das Startgebäude zu und betraten die für das ATT-Team reservierten Räume.
Ralf nickte dem rotgesichtigen Stadler, der das technische Team leitete, zu und ging in den Massageraum, wo Holzer und Mandel bereits auf ihn warteten.
Ein Einlaufen vor dem Rennen war allen Läufern verboten. Ralf machte einige Lockerungsübungen, dann ließ er sich massieren.
Nur undeutlich nahm er wahr, was um ihn herum vorging. Er beschäftigte sich noch immer mit seinem Schachproblem.
Stadler brachte den blutroten Anzug, den er im Rennen tragen würde. Er bestand aus Kunststoffmaterial, das sich wie eine zweite Haut an den Körper schmiegte. In das hauchdünne Gewebe waren dünne Drähte eingearbeitet, die der medizinischen Überwachung während des Rennens dienten. Mandel schlang ein netzartiges Gebilde um Ralfs Kopf, verknotete es im Nacken und befestigte zwei kleine Apparate hinter seinen Ohren.
Ralf schlüpfte mühsam in den eiskalten Anzug, der sich nach wenigen Sekunden seiner Körperwärme anpaßte.
Dann stülpten sie ihm den Rennhelm über den Kopf. Mit den normalen Helmen hatte er nur wenig Ähnlichkeit. Er sah eher wie ein Taucherhelm aus.
Langsam stapfte Ralf aus dem Massageraum. Im Fernsehraum, der Kommandozentrale des ATT-Teams, ließ er sich auf einen Stuhl fallen.
Stadler klappte die Sichtklappe des Helms herunter, und der Kunststoff paßte sich sofort an die Lichtverhältnisse an. Der Helm hielt alle Geräusche von Ralf fern.
„Sprechprobe“, sagte Peter Sullivan, der auf einem erhöhten Stuhl saß. Ihm gegenüber an der Wand hingen neun numerierte Bildschirme, die während des Rennens die zu den Nummern gehörenden Läufer zeigen würden. Auf seinem Tisch befanden sich noch zwei Monitore, die den Lauf so zeigten, wie ihn zigmillionen Fernsehzuschauer in sechzig Ländern sehen würden. Zwischen den Monitoren befand sich ein Mikrophon, mit dem er während des Rennens mit Ralf in Verbindung treten konnte.
„Ich verstehe dich gut, Peter.“
„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs“, sagte Peter Sullivan.
Ein Techniker regulierte die Lautstärke.
Dr. Mandel nahm neben Peter Sullivan Platz. Vor sich hatte er eine Art Schaltpult mit Skalen, Knöpfen und Hebeln. Diese Geräte zeigten laufend Ralfs Pulsschlag, seine Körpertemperatur und alle möglichen anderen Dinge an. Von diesem Steuerpult aus konnte der Arzt Ralf ferngesteuert schmerzstillende, aufputschende oder stärkende Mittel injizieren, die sich in den zwei Apparaturen befanden, die er hinter Ralfs Ohren angebracht hatte. Und natürlich konnte er auch jederzeit die Sauerstoffzufuhr erhöhen, ganz wie es die Situation erforderte. Ein Computer wertete ununterbrochen alle Daten aus, die man ihm über das im Anzug befindliche Netz lieferte.
„Alles OK“, sagte Mandel.
„Bei mir ist auch alles in Ordnung. Noch zehn Minuten bis zum Start.“
Ralf drehte sich nach rechts. Die Schmalseite des Raums nahm ein riesiger Fernsehschirm ein, auf dem das Programm der vereinigten US-Stationen zu sehen war. Der Ton war abgeschaltet.
Während ihm Stadler die Schuhe anzog, verfolgte Ralf die Geschehnisse auf dem Bildschirm.
Im Augenblick war die Strecke zu sehen.
Gesamtlänge: 9377 Meter.
Die Strecke war in zwei Teile gegliedert.
1. Teil
Start: 3020 m
Ankunft Sessellift: 1420 m
Länge: 5109m
Kurz waren die Schlüsselstellen des ersten Teils zu sehen: die Spirale, der Abgrund, die Brücke.
2. Teil
Start: 2408 m
Ziel: 1320 m
Länge: 4268 m
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