Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Schritten das dunkle, baufällige Treppenhaus hinunterhasten, denn die Zeit war nun wirklich knapp, und unter Umständen würde dieser Sack Huspensky irgendeinen Vorwand finden, um ihm Unannehmlichkeiten zu machen, aber dann blieb er ganz unversehens stehen und stöhnte fast unter der schrecklichen Erleuchtung. Der Brief! Einschreiben oder so was. Noch völlig besoffen war er aus dem Bett gefallen, als das Schrillen der Türglocke nicht aufhören wollte, und hatte irgendwie die Tür erreicht und sie geöffnet und dem Briefträger seinen abgestandenen Whiskyatem ins Gesicht geblasen. Ein Wunder, daß der gute Mann nicht gleich gekotzt hatte. Fuck it, wo steckte der Brief? Vermutlich auf der städtischen Müllkippe. Robby pflegte zu gewissen Zeiten keine Briefe zu öffnen und hatte ihn naheliegenderweise auf dem neben der Tür stehenden Abfalleimer deponiert und war wieder ins Bett gekrochen. Der Brief war natürlich zum Teufel.
    „Wir klären das“, wiederholte er lahm. „Ganz bestimmt. Und nun“ – er straffte sich – „gehen Sie bitte hinaus.“
    Der dicke Mann schnitt eine Grimasse. „Ich habe Anweisung, die bauliche Substanz einer jeden Wohnung zu untersuchen und für den Abbruch …“
    Robby hatte plötzlich ein ketchupfleckiges Küchenmesser in der Hand. Der dicke Mann gurgelte und sprang aus dem Sessel. „Ich werde Grabbert davon berichten“, stieß er hervor. „Dieses ganze Haus ist eine Mördergrube. Und überhaupt, was habe ich damit zu tun?“
    „Raus mit Ihnen!“ brüllte Robby fuchsteufelswild und …
     
3
     
    SETZ DEN NOTSTAND MATT – SPAR KILOWATT
     
    Slogan einer Anzeigenserie des Bundesministeriums für Energie- und Rohstoffversorgung
     
4
     
    „Gnädige Frau, ich kenne Sie, aber ich weiß nicht, wie ich auf Sie raufkomme.“
     
    Baudezernent Jonegan zu Frau OStD Pfeife, unbestätigt
     
6
     
    LIEBER FUSSPILZ ALS ÜBERHAUPT NICHTS ZU ESSEN
    Aufkleber, Herkunft unbekannt
     
7
     
    „… Macht sie kaputt!“ kreischte der unförmige Mann in dem zerschlissenen Fußballtrikot und schwenkte seine Fahnenstange wie eine Sense. „Macht sie alle! Haut sie in die Fresse!“
    Von irgendwoher flog ein Ziegelstein und traf den Schreihals in die Magengrube. Mit einem rülpsenden Laut setzte er sich auf den Hintern und spuckte halbverdautes Bier über den Bürgersteig. Geschrei, Gegröle, mißtönendes Gerassel, Sirenengeheul und Getröte lagen wie Smog über der Fußgängerzone. Robby kratzte sich die Nase und schielte aus dem Eingang des Lederwarengeschäftes, in den er sich beim Nahen der randalierenden Fußballfans des 1. FC Ruhrstadt zurückgezogen hatte. Die alkoholisierte Meute hatte vor einer halben Stunde die Bahnhofskneipe verlassen und sich in das Gewühl der Innenstadt gestürzt, um vor dem Anpfiff des entscheidenden Meisterschaftsspiels in die richtige Stimmung zu kommen. Ein Martinshorn heulte in der Ferne auf, gefolgt von einem zweiten, und Robby entspannte sich ein wenig.
    Die Meute in den rot-blauen Trikots, mit den Fahnenstangen, Totschlägern, Rasseln und Schnapsflaschen, reagierte auf die Martinshörner wie ein sensibler Organismus. Klirrend landete eine Flasche in der Fensterscheibe einer Boutique, dann ergossen sich die gnomenhaften, entfesselten Gestalten in die Seitenstraßen, um sich dem Zugriff der traditionell zu spät eintreffenden Ordnungshüter zu entziehen.
    „Penner“, keifte eine entmenschlichte Stimme hinter Robbys Rücken. „Verlauster Drecksack!“
    „Ganz richtig“, bestätigte Robby, wandte sich um und blickte in das bleiche Gesicht des Lederwarenverkäufers, der sich drohend hinter ihm aufgebaut hatte. „Dieses Gesindel wird von Tag zu Tag dreister.“
    Der Bleiche schnappte nach Luft. „Verschwinde“, brüllte er Robby an. „Du vertreibst mir die Kundschaft, du arbeitsscheuer Nichtsnutz!“
    Offensichtlich meinte er Robby mit seinen Ausfallen. Robby zuckte die Achseln und äugte durch die halb geöffnete Ladentür des Ledergeschäftes, in dem die Überreste südamerikanischer Kaimane ihr Rentnerdasein als Aktenköfferchen und Theatertäschchen fristeten. Das feine elektrische Wispern eines Bioclimate-Maker, der die Kundschaft wohl zu einem konsumfreudigeren Verhalten überreden sollte, erreichte Robbys Körperelektrizitätsfeld und dämpfte die Entrüstung über den ordinären Umgangston des Bleichen. Er zuckte die Achseln und schob sich aus dem Eingang, stieg über einen umgeworfenen Abfallbehälter und setzte seinen Bummel fort. Die

Weitere Kostenlose Bücher