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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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schien er keine zu haben, zumindest
konnte Gemma auf Anhieb keine erkennen. Seine Hände, die er jetzt an der
Schürze abtrocknete, hatten das Format von Topfdeckeln und aus jedem seiner
Arme hätte man ohne weiteres zwei machen können. Sein Körper war breit und
untersetzt. Auch wenn er nicht besonders groß war, war er doch eine
beängstigende Erscheinung. Unbewusst drängte Gemma sich etwas näher an Jessup
heran.
    »Bitte, Mister Harper, nicht schon wieder ein Streuner.« Die
Stimme des Kochs klang erstaunlich sanft, stellte Gemma fest, auch wenn das
keinesfalls dazu beitrug, ihn weniger bedrohlich erscheinen zu lassen.
    »Der Capt'n wird Euch das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich
noch ein hungriges Maul stopfen soll.«
    Jessup zeigte sich wenig beeindruckt, weder von der beängstigenden
Gestalt des Smutjes noch von derart finsteren Aussichten.
    »Das lasst mal meine Sorge sein. Ich werde den Capt'n fragen, ob
er bleiben kann, und Ihr bekommt endlich den Kombüsenjungen, nach dem Ihr seit
Monaten am Rumjammern seid. Was meint Ihr? Wär das was?«
    Der Smutje grunzte nichtssagend und ließ seinen Blick an Gemma
hinabwandern, den sie als alles andere als schmeichelhaft empfand.
    »Der ist zu mager. Die nächste steife Brise
bläst das schmächtige Hemd doch über Bord. Warum kannst
du nicht mal einen etwas kräftigeren Burschen anschleppen?«
    Bei den Worten des Kochs hatte Gemma die
Schultern gestrafft und sich empört zu ihrer vollen Größe aufgerichtet, um ihm
gehörig die Meinung zu sagen, bis ihr im letzten Moment die Rolle einfiel, die
sie zu spielen hatte. Was machte es denn schon, wenn so ein Affe sie
beleidigte? Sie ließ erneut die Schultern sinken, nur um zusammenzuzucken, als
die Hand des Kochs blitzschnell vorzuckte und ihren Arm umschloss.
    »Seht nur, wie mickrig der ist. Es ist ein
Wunder, dass dieses Bürschchen aufrecht stehen kann. Wie zum Teufel soll er
Sachen heben, die zweimal so schwer sind wie er?«
    »Er schafft das schon«, versicherte Jessup ihm. Gemma entriss dem
Koch ihren Arm und rieb die Stelle, an der sein rauer Griff einen Abdruck
hinterlassen hatte.
    »Also, Kleiner«, befahl Jessup, »setz dich hin.« Zögernd sank
Gemma auf den angewiesenen Stuhl, den Blick immer noch misstrauisch auf den
Koch gerichtet. »Mister Harron wird dir jetzt erst mal den Magen füllen,
während ich mit dem Capt'n darüber rede, was wir mit dir machen.« Er gab ihr
einen aufmunternden Klaps auf die Schulter.
    Mit einem sinkenden Gefühl in der Magengegend beobachtete Gemma,
wie Jessup zur Tür ging. Es wäre ihr lieber gewesen, er wäre geblieben, anstatt
sie mit diesem Tier allein zu lassen, aber ihr war klar, dass das keinen guten
Eindruck gemacht hätte, wenn sie ihn darum gebeten hätte.
    An der Tür drehte Jessup sich noch einmal um.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er.
    Gemma erstickte beinahe an dem Stück Brot, das sie sich, kaum dass
der Koch es vor sie hingestellt hatte, gierig in den Mund geschoben hatte.
    Sie hatte sich noch überhaupt keine Gedanken gemacht, wie sie sich
als Junge nennen sollte, und so traf sie die Frage völlig unvorbereitet.
    »Gern...«, platzte sie wahrheitsgemäß heraus,
bevor ihr ein Hustenanfall den Rest des Wortes abschnitt. Als ihr Gesicht
bereits puterrot angelaufen war, schlug ihr Butch Harron mit seiner Pranke hilfreich
auf den Rücken. Das Stück Brot, an dem sie sich verschluckt hatte, kam frei,
und Gemma rang keuchend nach Luft.
    »Jem?«, fragte Jessup, und Gemma nickte, noch
immer hustend.
    »Keinen Nachnamen?«
    Gemma schüttelte verneinend den Kopf. Sie wusste, dass viele der
Straßenkinder nicht die Namen ihrer Mütter, geschweige denn die der Väter wussten. Also war sie nur eins von
vielen und würde wohl kein Aufsehen erregen. Glücklicherweise hatte Jessup ihren
Namen falsch verstanden und ihr somit unbeabsichtigt aus der Klemme geholfen.
    Jessup
starrte den Jungen, der seine Anwesenheit in dem Augenblick vergessen hatte, in
dem Harron ihm einen Teller mit Eintopf vor die Nase stellte, einen Moment an,
bevor er die Kombüse verließ.
    Gemma bemerkte es kaum, sondern konzentrierte
sich voll und ganz auf das köstliche Mahl auf dem Teller vor ihr. Wie lange war
es her, dass sie etwas so Wunderbares gegessen hatte? Selbst das letzte Essen,
das sie sich in der Taverne gekauft hatte, hatte ihr nicht so gut gemundet. Es
war wundervoll, mit niemandem um sein Essen kämpfen zu müssen, dennoch ging
sie kein Risiko ein und aß so schnell sie

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