Gemma
verkaufen
können.«
Gemma hielt den Kopf gesenkt, weil sie ein Lächeln einfach nicht
unterdrücken konnte. Es ging ihr nicht ums Geld, obwohl es schön war, dass sie
in Amerika nicht völlig mittellos ankommen würde. Aber sie hatte endlich eine
Passage nach Amerika! Bald würde sie dort ankommen und könnte ein neues Leben
beginnen.
»Danke, Sir. Vielen, vielen Dank.« Erleichterung schwang in ihrer
Stimme mit.
»Dank mir nicht zu früh. Vielleicht wirst du mich schon bald
verfluchen, denn gefaulenzt wird hier an Bord nicht. Du hast deine Pflicht zu
erfüllen wie jeder andere auch. Glaub nicht, weil ich dir Heuer verschafft
habe, könntest du hier rumlungern.«
»Nein,
Sir!« Bei Jems erschrecktem Aufschrei musste Jessup grinsen. Der Kleine würde
sicher nicht faulenzen, wenn er noch nicht einmal abgewartet hatte, bis er
angeheuert war, bevor er mit der Arbeit begonnen hatte.
»Wenn du Ärger mit der Crew hast, kommst du zu mir. Bei kleineren
Streitigkeiten erwarte ich, dass ihr sie unter euch regelt. Hast du das
verstanden?«
»Ja, Sir!« Gemma sprang auf und reckte ihm ihre
schmale, tropfnasse Hand entgegen. Bevor sie sie zurückziehen konnte, um sie
abzutrocknen, hatte Jessup sie gegriffen und gedrückt.
»Mit Handschlag besiegelt. Du bist nun offizielles Crewmitglied
der Dragonfly. Mach uns keine Schande, hörst du?«
»Keine Sorge, Sir, das werde ich nicht«, versprach Gemma
feierlich.
»Also dann, mach dich an die Arbeit. Komm nachher vorbei, um die
Heuerliste zu unterschreiben.« Jessup nickte dem Smutje zu und verließ die
Kombüse.
Am gleichen Abend wurde
die Dragonfly vom Pier, wo sie zum Beladen gelegen hatte, zu ihrem
Ankerplatz geschleppt, wo sie die Morgenflut abwarten würde, um die Segel zu
setzen.
Gemma stand an der Reling und beobachtete,
wie sie die schmutzigen, lauten Docks von London hinter sich zurückließen. Sie
fuhren nicht sehr weit, nur einige hundert Meter, aber der Abgrund zwischen ihr
und der Stadt schien unüberbrückbar. Und in gewisser Weise war er das auch.
Sie würde ihr bisheriges Leben an diesen Ufern zurücklassen und ein neues
beginnen, fremd und andersartig, aber dennoch aufregend, weil sie es selbst
würde bestimmen können. Gemma konnte die Aufregung, die sie erfasste, nicht
unterdrücken. Auch wenn sie gepaart war mit Unsicherheit und Angst, so überwog
dennoch die Aufregung über alle anderen Gefühle. Nein, das hier würde ein
großartiges Abenteuer werden, so wie sie es sich immer erträumt hatte.
Früh am
nächsten Morgen setzte die Dragonfly die Segel und lief mit der Flut
aus. Gemma hatte einen Platz zwischen Fässern und Kabelrollen am Bug gefunden,
von wo aus sie die Landschaft auf beiden Seiten des Flusses betrachten konnte.
Sie war unterwegs. Trotz all ihrer Sorgen und Ängste in den letzten Wochen
hatte sie es geschafft. Niemand hatte sie verfolgt oder nach ihr gesucht, oder
aber sie hatten sie nicht gefunden, bevor sie auf der Dragonfly angemustert
hatte.
Zu Beginn ihrer Reise hatte die Dragonfly mehr
als genug Gesellschaft. Andere Schiffe, die ebenfalls die Morgenflut zum
Auslaufen genutzt hatten, tanzten wie Korken auf den Wellen, ihre Segel hell
und leuchtend gegen das Blaugrau des Himmels. Aber bald trennten sich ihre
Wege. Die meisten Schiffe schlugen den Weg zum Kontinent ein, einige andere
folgten der englischen Küste nach Norden. Die Dragonfly war das einzige
Schiff gewesen, das an diesem Morgen nach Amerika aufbrach.
Gemmas Blicke folgten den Möwen, die nun als Einzige der Dragonfly Geleitschutz gaben. Ihre heiseren Schreie drifteten aus den luftigen Höhen
hinab, während die Vögel auf Essensreste warteten, die über Bord geworfen
wurden. Gemma hatte ihnen einige Brocken trockenen Brotes zugeworfen und sich
an ihren akrobatischen Künsten erfreut, wenn sie den Leckerbissen aus der Luft
fingen. Gerade sah sie einer besonders begabten Möwe hinterher, als die Stimme
des Kochs sie erreichte. Sie sprang auf und ging vorsichtig an der Seite des
Deckaufbaus entlang. Jessup hatte gesagt, es würde einige Zeit dauern, bevor
sie ihre »Seebeine« bekam. Im Moment hatte sie noch ihre Probleme, die
rollenden Bewegungen des Schiffes auszubalancieren.
»Jem, verdammt, beweg deinen faulen Arsch!«
Gemma beeilte sich, seinem Befehl Folge zu leisten. Schläge waren
immerhin eine gängige Strafe für Schiffsjungen und sie war fest entschlossen,
ihren Anteil so gering wie möglich zu halten.
»Ich komme!«, rief sie dem wartenden Koch zu und
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