Gemma
kleines Schiff in dieser riesigen Unendlichkeit
war, die sich in alle Richtungen bis hin zum Horizont erstreckte. Fühlten alle
Seeleute diese Ehrfurcht vor der Schöpfung, wenn ihnen bewusst wurde, wie
unbedeutend sie eigentlich waren? Der Ozean konnte sich auftun und sie alle
verschlingen, und niemand würde jemals erfahren, was mit ihnen geschehen war.
Gemma erschauderte bei dem Gedanken, zugleich aber war sie auch
ein wenig ärgerlich, dass eine kleine Stimme es nun geschafft hatte, einen
Hauch von Furcht in ihr Herz zu pflanzen. Irgendwie hatte sie sich das Leben
auf See niemals so vorgestellt. Natürlich hatte ihr Vater ihr erzählt, dass sie
manchmal für Wochen unterwegs waren, ohne ein anderes Schiff zu treffen, aber
ihre Phantasie hatte nicht ausgereicht, um sich die Szenerie auszumalen.
Aber nun wusste sie, wie es war.
Und es gefiel ihr.
Trotz der Gefahr liebte sie die See. Nie zuvor hatte sie sich so
frei gefühlt, und am liebsten hätte sie ihre Freude auf den Ozean
hinausgeschrien.
Gemmas Augen suchten nach der hochgewachsenen
Gestalt, die soeben im Treppenaufgang erschien und die wenigen Stufen zum
Achterdeck erklomm. Die leichte Brise streifte durch Bryce' Haar und zerzauste
es. Es kribbelte Gemma in den Fingern, ihre Hände durch die seidige Masse gleiten
zu lassen, während sie im gleichen Augenblick von dieser Idee schockiert war.
Was fiel ihr ein? Dieser Mann, auch wenn er ihr Ehemann war, war ein Fremder!
Ein Fremder, der sie hasste und ihr misstraute. Der sich keinen Deut darum
scherte, was mit ihr geschah. Gemma wiederholte diese Litanei in ihrem Innern
wieder und wieder, aber die Gefühle, die Bryce' Anblick in ihr wachrief, konnte
sie dennoch nicht unterdrücken. Sie brachten die Erinnerung zurück an seine
Hand an ihrer Brust. Gemma stöhnte, als ihre Nippel sich aufrichteten und gegen
die Stoffbahnen pressten, die sie wie immer fest um ihre Brüste gewickelt
hatte. In ihrem Magen flatterten Schmetterlinge. Es war nicht die unangenehme
Übelkeit wie am Tag zuvor, sondern etwas anderes, etwas das stärker wurde, wenn
sie an die Berührung von Bryce' schwieliger Hand auf ihrem Schenkel dachte.
Gemma wandte den Blick vom Achterdeck ab, aber
es half nichts. Was passierte nur mit ihr? Wie kam es, dass sie noch immer
seine Hände auf ihrem Körper spüren konnte? Und wie kam es, dass die Reaktion
ihres Körpers noch viel stärker war, als an jenem Morgen? Ganz so als wollte
ihr Körper ihr Recht geben, fühlte Gemma, wie ein dumpfes Pulsieren zwischen
ihren Schenkeln begann. Sie presste die Beine zusammen, in der Hoffnung, das
Gefühl würde weichen, aber es wurde nur noch stärker, bis Gemma schließlich
zusammengekauert saß und leise stöhnte. Was geschah mit ihr? Was für eine
Krankheit war es, die sie befiel? Es musste einfach eine Krankheit sein. Oder
war es einer der Flüche, von denen Butch Harron ihr erzählt hatte? Sie hatte
seinen Erzählungen staunend gelauscht, ihm aber kein Wort geglaubt. Seeleute
waren ein abergläubisches Völkchen, aber sie? Nein, sie war nicht
abergläubisch. Aber was war, wenn Butch Recht hatte? Ja, entschied Gemma, das
war die einzige Erklärung. Aber warum sollte Bryce sie mit einem Fluch belegen?
Um sie zu strafen? Sie glaubte nicht, dass sie seine Gedanken so weit beschäftigte,
vor allem, weil er nicht einmal ahnen konnte, dass sie überhaupt an Bord und in
seiner Nähe war.
Aber hatte nicht auch Bridget erzählt, dass er Magie benutzte, um
Frauen in seine Gewalt zu bringen? Was, wenn er wirklich ein Zauberer war? Wie
hatte Butch es genannt – einen Voodoo-Meister? Ein Houngan? Immerhin sollte es
die in New Orleans geben, und Jessup zufolge war diese Stadt am Mississippi das
Ziel ihrer Reise.
Sie wagte es, einen kurzen Blick in Bryce'
Richtung zu werfen. Er stand an der Reling und studierte mit einem Fernglas
den Horizont. Jessup stand neben ihm. Die Männer unterhielten sich, und Gemma
hörte sie lachen. Wieder schoss ein seltsames Gefühl durch ihren Körper beim
Klang seines Lachens. Seine Stimme drang zu ihr herüber und schien durch ihre
Haut in ihr Herz zu dringen. Gemma zuckte zusammen. Wie machte er das nur? Mit
seinem schwarzen Haar und den grauen Augen und besonders mit der Narbe auf
seiner Wange konnte man ihn schon für einen Zauberer halten. Aber war er einer?
Nein, entschied Gemma. Zauberer und Hexen dienten nur dazu, kleine
Kinder zu erschrecken. Sie war gebildet genug, um so einen Unfug nicht zu
glauben, auch wenn Butchs
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