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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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Buch zur Seite gelegt hatte. Auch wenn sie den
Grund dieser Reise nicht begrüßte, war sie doch genauso aufgeregt wie jedes
Mal, wenn sie mit ihrem Vater in eine nahe liegende Stadt oder – wie einige
Male – sogar nach London gefahren war. Neugierig sah sie aus dem Fenster der
Kutsche. Der Hof der Herberge war völlig finster, lediglich der Halbmond, der
gelegentlich durch die Wolkendecke brach, erhellte die Szenerie. Der Kutscher
sprang vom Kutschbock, nachdem sich die Tür des Gasthofes geöffnet hatte und
eine Person mit einer Fackel näher schlurfte.
    Gemma wäre zu gern aus der Kutsche gesprungen, aber sie geduldete
sich, bis der Kutscher ihnen mitteilte, dass sie hier die Nacht verbringen
würden. Ihre Tante schnarchte noch immer. Gemma fragte sich, wie ein Mensch so
viel schlafen konnte, noch dazu unter diesen Bedingungen.
    Der Kutscher trat ans Fenster und sah herein.
    »Is' nich' viel, aber trock'n un' sauber. Wollta hier bleib'n?«
    Gemma warf noch einen Blick hinüber zum Haus. Viel konnte sie in
der Dunkelheit nicht erkennen, aber es machte keinen allzu Vertrauen
erweckenden Eindruck. Sie war sich sicher, dass ihr Vater nicht hier gehalten hätte.
    »Kennt Ihr die Wirtsleute, Kutscher?«
    »Sin' ehrliche, gottesfürchtige Leut'«, antwortete er und spuckte
seinen Priem auf den Boden.
    Entschlossen stieß Gemma den Schlag auf. Ihre Tante war wohl kaum
in der Lage, Entscheidungen zu treffen, selbst wenn sie erwachen sollte, was
zweifelhaft war. Nachdem der Tritt heruntergeklappt war, stieg sie aus.
    »Wie weit wäre es bis zur nächsten Herberge?«, fragte sie den
Kutscher, der sich versonnen am Ohr kratzte.
    »Ganz schön weit, Misses, ganz schön weit.«
    »Wie weit genau?«
    »Zu weit für de 'ferde. De brauchen 'ne
Pause. Un' ich auch.«
    »Dann wird uns wohl nichts anderes übrig
bleiben, als hier zu nächtigen, nachdem Ihr an all den anderen Rasthöfen vorbeigefahren
seid, nicht wahr?«, stellte Gemma mit einem Seitenblick auf den Fahrer fest.
Dieser sah verlegen zu Boden, und Gemma wusste, dass ihre Vermutung stimmte.
Wahrscheinlich war er am Gewinn beteiligt, wenn er Gäste in diese Herberge
brachte. Hoffentlich zeugte die Qualität seines Fahrzeugs nicht von der Qualität
der Herberge, obwohl Gemma genau das befürchtete.
    Sie wich den Pfützen und dem Pferdemist aus,
der überall im Hof verstreut lag. Anscheinend machte sich niemand die Mühe ihn
wegzuräumen. Sie erreichte die Tür und stieß sie auf.
    Das Innere des Rasthofes diente nicht dazu,
Gemmas Bedenken zu zerstreuen. Der Boden war, wie vielleicht vor hundert oder
mehr Jahren üblich, mit Stroh bestreut, welches allerdings nicht sehr sauber
war. Sie fragte sich, ob es erst im Pferdestall
gelegen hatte, bevor man es ins Haus gebracht hatte.
    An der Stirnseite des Raumes brannte ein großes offenes Feuer, das
nicht nur als Kochstelle diente und das Zimmer heizte, sondern zudem den Raum
in dichten Rauch hüllte. Gemma hustete und presste ihr Taschentuch auf Mund und
Nase, um nicht zu ersticken. Eine dicke Frau mit fleckiger Schürze kam auf sie
zu.
    »Was wollt Ihr?«
    Gemma überging diese nicht eben freundliche Begrüßung und sah sich
um. Nein, was sie sah, lud überhaupt nicht zum Verweilen ein. Sie wandte sich
an die Frau, die sie ungeduldig musterte.
    »Können wir bei Euch etwas zu essen bekommen und ein Zimmer?«
    »Is' 'ne Herberge, Schätzchen, klar könnta das hier ha'm.« Die
Frau grinste Gemma beinahe zahnlos an.
    »Was kostet ein Zimmer für die Nacht?«
    »Zwei Pfund, Schätzchen. Essen geht extra.«
    »Zwei Pfund?!«, rief Gemma entsetzt. »Das ganze Haus ist keine
zwei Pfund wert!«
    »Müssta Euch en'schei'n. Gibt keine an're Herberge.« Sie kicherte.
    »Ich zahle Euch fünf Shilling.«
    »Fünfzehn.«
    »Sechs,
inklusive Essen und sauberer Bettwäsche.«
    »Sagt
sieb'n, dann kriegta morgen 'n gutes Frühstück.«
    Gemma streckte der Frau die Hand entgegen. »Einverstanden. Sorgt bitte dafür, dass jemand mein Gepäck und das meiner Tante hereinbringt.«
    »Eure Tante?!«
    »Aber natürlich«, antwortete Gemma honigsüß, »ich sagte doch
>wir<. Ich werde doch wohl kaum im Pluralis Majestatis von mir reden,
nicht wahr?«
    »Häh?«, fragte die Wirtin und wandte sich dann kopfschüttelnd ab,
um das Gewünschte zu veranlassen.
    Gemma ging hinaus und weckte ihre Tante. Das Schnarchen riss ab
und ging in glucksende Geräusche über, als Tante Ethel versuchte, in die
Realität zurückzufinden. Ihr Doppelkinn zitterte, als

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