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Gemma

Gemma

Titel: Gemma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Last
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geschwungenen Hügel Kents eintauschen. Gemma warf
einen letzten liebevollen Blick auf das Haus, in dem sie so viele schöne Jahre
verbracht hatte. Jetzt sah es unbewohnt und traurig aus. Die Fensterläden waren
geschlossen und der Wind heulte um die Mauern.
    Niedergeschlagen und immer noch gegen die Tränen ankämpfend stieg
Gemma in die wartende Kutsche. Ihre Tante hatte sich bereits zurechtgesetzt,
eine Decke über den Knien und einen heißen Ziegelstein an den Füßen.
    »Fürwahr, Kind, du bist noch einmal mein Tod. Du solltest mir auf
Knien danken, dass ich dich in mein Haus nehme. Das verdankst du nur meinem
guten Herzen.«
    Und den fünfhundert Pfund, die du jedes Jahr für meine Unterkunft
und Verpflegung einstreichst, setzte Gemma in Gedanken
hinzu, die sich keinen Illusionen hingab, dass sie im Haus ihrer Tante
willkommen sein könnte. Einzig und allein das Erbe, das ihr Vater ihr
hinterlassen hatte, sicherte ihr jetzt ein Zuhause, sofern man ein Dach über
dem Kopf als Zuhause bezeichnen konnte.
    Sie lehnte den Kopf in die Polster zurück und schloss die Augen.
Ihre Tante redete weiter auf sie ein, wie dankbar sie doch sein sollte, aber
Gemma war überzeugt, dass sie ein weitaus glücklicheres Leben führen könnte,
wenn man ihr nur gestattet hätte, weiterhin in ihrem Heim zu bleiben. Aber im
Testament ihres Vaters war eindeutig festgelegt, dass Gemma bis zur Vollendung
ihres einundzwanzigsten Lebensjahres im Hause ihrer Tante oder einer anderen
Verwandten leben sollte, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Wieder füllten sich
ihre Augen mit Tränen. Sie hatte immer gewusst, dass das Leben eines Seemannes
gefährlich war, aber wer erwartet schon, dass das grausame Schicksal
ausgerechnet seine Lieben ereilte, wenn sie zur See fuhren?
    Sie hatte sich geweigert, an seinen Tod zu
glauben, hatte sich geweigert, es zu akzeptieren, wenn man ihr nicht seinen
toten Körper zum Beweis brachte, aber irgendwann hatte sie es nicht länger
leugnen können. Der erste Offizier und der Steuermann waren beide bei ihr
gewesen und hatten ihr das Beileid ausgesprochen. Sie kannte die beiden Männer
von Kindheit an und keiner von ihnen hätte einen Grund gehabt sie zu belügen.
Nein, sie musste es glauben – ihr Vater war tot. Sie hatte keinen Menschen mehr
auf dieser Welt, wenn sie einmal von ihrer Tante und einigen entfernten
Verwandten absah. Und von ihnen hatte keiner sie mit offenen Armen willkommen
geheißen. Erst als bekannt wurde, dass für ihren Unterhalt in klingender Münze
gezahlt wurde, hatte sich ihre Tante bereit erklärt, sich ihrer anzunehmen.
    Der Anwalt ihres Vaters hatte seine
Betroffenheit über den Mangel an Familiensinn nicht verhehlen können. Die Vorsichtsmaßnahme,
Geld für Gemmas Versorgung anzubieten, war ihm unsinnig erschienen. Niemand
würde sich weigern, ein elternloses Mädchen aufzunehmen, das nach dem Tod des
geliebten Vaters nicht wusste wohin. Jeremiah Edwards kannte seine Familie
besser. Wärme durchflutete Gemma bei dem Gedanken, dass er sie auch nach seinem
Tod versorgt wissen wollte, vermengt mit Trauer, dass er es ihr verwehrt hatte,
allein zu leben. Er musste doch gewusst haben, dass sie ein Leben allein in
ihrem Zuhause einer Duldung im Hause irgendeines unbekannten Verwandten
vorziehen würde. Was auch immer seine Gründe gewesen waren, es hatte sie jetzt,
nachdem sie fast siebzehn Jahre lang nur Liebe und Selbstständigkeit gekannt
hatte, in die Abhängigkeit ihrer Tante geführt.
    Der Redefluss von der gegenüberliegenden Sitzbank war verstummt.
Ethel Robbins war in ihrem Sitz zusammengesunken
und schnarchte, den Kopf auf der Brust, laut vor sich hin. Gemma wusste
wirklich nicht, was schlimmer war – den ganzen langen Weg nach Kent die
schrille Stimme ihrer Tante zu ertragen oder das durchdringende Schnarchen, bei
dem sie sehr um die Achsen fürchtete, wenn keine Bäume in der Nähe waren. Gemma
setzte sich bequemer hin, soweit das in der hart gefederten und nur schlecht
gepolsterten Kutsche überhaupt möglich war. An Schlaf war jedenfalls nicht zu
denken, nicht dass sie müde gewesen wäre. Gottlob hatte sie etwas zu lesen in
ihrem Handgepäck verstaut.
    Der Reisebericht in fremde Länder würde sie die Unannehmlichkeiten
der Reise und die Trauer um ihren Vater für eine Weile vergessen lassen.
    Die Kutsche
hielt mit einen Ruck vor einem schäbigen Gasthof. Gemma schreckte hoch.
Entgegen ihrer Absicht war sie doch eingeschlafen, nachdem die Sonne
untergegangen war und sie ihr

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