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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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gesagt. Weil der Martin nämlich der Einzige in dieser Familie ist, der etwas auf die Beine gestellt hat.«
    Ihre weiteren Tiraden gingen im Gekreisch der Schwester unter, die sich auf die Vase stürzte, um sie vor dem Zerbrechen zu bewahren. »Das ist Meißner.«
    »Da hast du dein Meißner«, schnaubte die Dauergewellte, entriss ihrer Schwägerin die Vase und schmetterte sie an die Wand.
    Viktor raffte seine Unterlagen zusammen und drückte sie schützend an die Brust. Schweigend saß er auf dem Sofa und verfolgte den Ringkampf, der um die Vitrine mit dem Porzellangeschirr entbrannt war. Das Eintreten einer dritten Frau unterbrach die Kämpfenden für einen Moment.
    »Und?«, herrschte Martin sie an.
    »Nichts«, entgegnete sie nur und ballte die Fäuste in den Taschen ihres Strick-Cardigans. »Dort ist das Testament auch nicht.«
    »Da geh ich selber nachschauen.« Die Porzellanerbin rauschte hinaus, gefolgt von den anderen.
    Der Bruder mit der hohen Stimme musste feststellen, dass er mit Viktor alleine im Zimmer war. Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die Stirn, dann ließ er sich in einen Sessel fallen. »Ach, wissen Sie was«, sagte er nach einem Blick auf den Stift in Viktors Hand. »Schreiben Sie doch einfach das Übliche: treusorgende Mutter, viel zu früh entrissen, in tiefer Trauer. Und irgendwas Schönes von Goethe.«
    Im Nebenzimmer krachte etwas. Der Mann seufzte. »Ach ja, und geliebtes Mutterherz wäre nicht schlecht.«
    »Wie alt ist sie denn eigentlich geworden?«, fragte Viktor, um irgendetwas zu sagen.
    Sein Gegenüber starrte ihn eine Weile hilflos an. »Steht das nicht in den Papieren?«, fragte er.
    Beim Abendessen brütete Viktor nachdenklich vor sich hin. Seine Tante nutzte die Gelegenheit, ihm dreimal vom Kartoffelsalat nachzulegen. Er stocherte kommentarlos mit der Gabel darin herum und kaute.
    »Jetzt hast du es am eigenen Leib erfahren«, meinte sein Onkel. »Die Menschen fürchten sich zwar vor den Toten, doch dabei sind es doch vielmehr die Lebenden, die einen wirklich das Gruseln lehren können.«
    »Was ist ein Kooperationsvertrag mit der Polizei?«, fragte Viktor.
    Sein Onkel hielt inne, die Gabel, die er gerade zum Mund hatte führen wollen, noch in der Luft. »Ach so, das meinst du. Also: Es gibt Verbrechensopfer und Unfallopfer, beide liegen an Orten, die von der Polizei gesichert und untersucht werden, aber irgendwann müssen die Toten in einen Sarg. Die Polizei ruft dafür einen Beerdigungsunternehmer, und das sind exklusiv wir. Dafür bin ich auch rund um die Uhr erreichbar.« Er hob sein Handy. »Keine garantierte Nachtruhe, keine Ferien. Aber es ist ein wichtiges Standbein des Betriebs. Hat uns damals aus der Krise geholfen, deinem Vater und mir.«
    »Und?«, hakte Viktor zögernd nach. »Ist es immer noch so wichtig?«
    »Warum fragst du?« Verwundert schaute Wolfgang Anders seinen Neffen an. »Also, ich kann es dir in den Büchern zeigen, wenn du …«
    »Schon gut.« Viktor flüchtete sich zu einer weiteren Gabel Kartoffelsalat.
    Sein Onkel griff das Thema gerne auf. »Kein Job für jedermann. Es ist kein schöner Anblick, wenn man da nachts an die Autobahn gerufen wird. Einmal hatten wir einen Kerl, der von einem Laster überrollt worden war. Ich konnte keine Leiche finden und fragte einen Polizisten. Der hat auf diese riesigen, mannshohen Zwillingsreifen, die der Brummi hatte, gezeigt. ›Er steckt noch im Profil‹, sagte er. Ich hab ihn dann rausgekratzt. Das mag nicht jeder.«
    »Noch ein kaltes Kotelett?«, fragte seine Tante.
    Viktor wechselte das Thema: »Wo ist Tobias?«
    »Oben«, sagte sie. »Er war heute sehr unruhig.«
    »Gibt es eigentlich das alte Märchenbuch noch?«, wollte Viktor wissen.
    »Du stellst heute Fragen.« Sein Onkel schnaubte.
    Doch die Augen seiner Tante leuchteten auf. »Du erinnerst dich daran? Aber natürlich, es war ja auch etwas ganz Besonderes, mit den Bildern. Er hat es stark bekritzelt, fürchte ich. Aber er liebt es sehr.« Sie betonte das Adverb mit allem Nachdruck. »Möchtest du es mal sehen?«
    Viktor schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich dachte nur, weil er neulich etwas vor sich hin brabbelte, von wegen, er verstecke sich in der Uhr.«
    Tante Hedwig lächelte nachsichtig. »Die sieben Geißlein mag er ganz besonders. Und den Froschkönig.«
    »Ich dachte nur«, fuhr Viktor fort, nicht sicher, wie er es ausdrücken sollte. »Dass Tobi, nun, irgendwie aus dem Buch zitiert.«
    »Er rattert es rauf und runter, wenn du

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