G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer - Felsing, K: G.E.N. Bloods 1 - Eisfeuer
blieb Megan nichts anderes übrig, als darum zu bitten, dass der behandelnde Arzt in dem Sanatorium in Denver anrief und versuchte, einen Kollegen zu erreichen, der über Kristy und die Vorgeschichte Auskunft geben konnte. Das gelang erst nach zehn Uhr am Vormittag. Eine Stunde später wurde Kristy in die offene psychiatrische Abteilung des General Hospitals verlegt. Sie schlief unter der Wirkung eines Beruhigungsmittels.
Der Krankenhausaufenthalt war keine Lösung, weder auf längere noch auf kurze Sicht, denn Megan wusste, dass Bradly Hurst Kristy in wenigen Stunden ausfindig machen würde. Sie bezweifelte, dass ihre Schwester dort sicher war. Zu viele Personen gingen ein und aus, ohne sich anmelden zu müssen wie in dem Privatsanatorium, das zudem über eine von einem Pförtner bewachte Zufahrt und ein eingezäuntes Gelände verfügte.
Ihre einzige Hoffnung bestand darin, Dix zu finden und die Situation endlich zu klären. Sie brauchte nicht nur seine Hilfe, um gegen Hurst zu kämpfen, sie brauchte ihn, um nicht zusammenzubrechen.
Sie brauchte ein Wunder.
Dix war zunächst ziellos durch die Gegend gefahren mit dem Gedanken, sich bis zum Umfallen zu betrinken. So sauer und enttäuscht war er noch nie in seinem Leben gewesen, und er hatte verdammt viel durchgemacht. Statt in einer Kneipe landete er am Strand, hatte auf das Meer in den Sonnenuntergang gestarrt und verharrte noch immer reglos, als die ersten Sonnenstrahlen in seinem Nacken brannten.
Er stand auf, streckte die steifen Glieder und fuhr zum Fitnesscenter. Gegen zehn mussten sie am Flughafen sein. Es geschah Megan nur recht, dass er sie erst später anrufen und ihr kurz und knapp mitteilen würde, dass er für drei Wochen auf einem Einsatz war. Bis zur Rückkehr konnte er in Ruhe nachdenken und seine Enttäuschung sacken lassen. Er wusste schon jetzt, dass er ihr diesen Betrug nicht würde verzeihen können. Oder?
Er verabschiedete sich von den anderen. Simba blickte ihm tief in die Augen, murmelte etwas auf Indisch und schlug in seine ausgestreckte Hand ein.
Im Flugzeug zuckte Dix wie unter einem Peitschenhieb zusammen und hatte Mühe, die Gedanken an seine erste Begegnung mit Megan zu unterdrücken. Ihm wurde die Brust eng, als er sich zwischen Neil und Wade auf den Sitz quetschte. Nicht allein wegen des Platzmangels, sondern aufgrund der Erinnerung an die erste, unbeabsichtigte Berührung zwischen Megan und ihm. Das Gefühl, das ihm direkt bis in die Lenden geschossen war – und doch hatte er neben der Lust gespürt, dass sich eine unendliche Tiefe an Emotionen dahinter verbarg. Er versuchte, an nichts zu denken. Als das nicht gelang, versetzte er sich in Trance und lauschte dem Funkverkehr zwischen dem Piloten und dem Tower. Irgendwann, als sich das Flugzeug bereits in der Luft befand, sorgten die Nachwirkungen der Trance und das monotone Summen im Hintergrund dafür, dass er den Preis für die durchwachte Nacht zahlte. Er glitt in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder zuckend aufwachte.
Mare bina svarg nahin milta
. Simbas Worte begleiteten seinen Traum. Was bedeutete der Spruch? Es ließ ihm keine Ruhe, dass er den Satz nicht verstand. Dix sandte seine Sinne aus, suchte nach Frequenzen in indischer Sprache, fand Satzfetzen, verglich sie mit Wörtern von Synchronsprechern, spürte das eine oder andere Wort im Datenverkehr des Internets auf und setzte nach und nach den Sinn in die englische Sprache um. …
sterben … Himmel
…
Until one dies, he cannot get to heaven. Ohne zu sterben, kommt man nicht in den Himmel
.
Elende Ratte! Was sollte er mit diesem Spruch anfangen? Sollte er Harakiri begehen? Nein, das war ein japanisches Ritual. Dieser Drecksack mit seinen indischen Weisheiten. Der Spruch würde weiterhin in seinem Kopf herumgeistern und ihn am Grübeln halten. Er sollte das dumme Gelaber einfach vergessen. Aber wenn er nicht darüber nachdachte, kehrten die Gedanken an Megan zurück. Ob er die Ehe annullieren lassen könnte?
Er lehnte das Essen im Flugzeug ab, trank nur einen Becher Wasser, versank in Gedanken, schlief, marterte im wachen und im komatösen Zustand sein Gehirn, bekam kaum mit, wie sie an irgendeinem Airport umstiegen.
Je länger sie unterwegs waren, desto mehr löschte bittere Enttäuschung sämtliche anderen Gefühle aus, brannte sich durch sein Innerstes, bis wie nach einem tobenden Buschfeuer nur verkohlte Steppe übrig blieb und er anfing, sich auf den vor ihnen liegenden Auftrag zu konzentrieren.
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