Gene sind kein Schicksal
auf Gene trägt nicht dazu bei, die krank machenden Lebensbedingungen indigener Menschen zu verbessern.
Gentests ohne Nutzen
Die teure Suche nach vermeintlichen Diabetes-Genen rechtfertigen die betreffenden Molekularbiologen und Mediziner gerne mit der Floskel: Je mehr wir über die Krankheit wissen, desto besser können wir diejenigen Menschen schützen, die besonders anfällig sind. Die betroffenen Menschen könnten frühzeitig gegensteuern und sich selbst viel Leid und Schmerzen ersparen sowie der Solidargemeinschaft die hohen Behandlungskosten. Das klingt einleuchtend – aber stimmt es? Verschiedene Forschergruppen sind der Frage nachgegangen – und haben Erstaunliches herausgefunden:
Der Internist James Meigs vom Massachusetts General Hospital in Boston hat eingelagertes Genmaterial von Menschen untersucht, die an der berühmten Gesundheitsstudie in der Kleinstadt Framingham ( US -Bundesstaat Massachusetts) teilgenommen haben und dazu vor 28 Jahren Blutproben abgegeben hatten. [146] Es ging um 2377 Teilnehmer, von denen 255 im Laufe der Jahre an Typ- 2 -Diabetes mellitus erkrankten. Aus den Blutproben dieser Patienten isolierten Meigs und seine Kollegen das genetische Material und suchten gezielt nach 18 bestimmten Genvarianten. Diese waren zuvor in genomweiten Assoziationsstudien als angebliche Risikogene beschrieben worden. Jede einzelne dieser Genvarianten erhöhe das Risiko für Typ- 2 -Diabetes mellitus »signifikant«. Für jeden der 255 Diabetes-Patienten untersuchten die Forscher nun, welche dieser Genvarianten sie jeweils trugen. Dann fragten sie: Inwiefern hätte man anhand dieser Gene eigentlich den Ausbruch der Erkrankung vorhersagen können? Dazu verglichen Meigs und seine Kollegen das jeweilige Ergebnis des Gentests mit jener Prognose, die sich aus den klassischen Faktoren wie Körpergewicht, Blutfettwerte oder etwa Blutzuckerwert ergibt.
Das Ergebnis: Das Wissen um das genetische Profil erhöht die Aussagekraft so gut wie überhaupt nicht (der betreffende Wert der sogenannten C-Statistik geht von 0 , 900 auf 0 , 901 ). Man kann das Diabetes-Risiko getrost auch weiterhin anhand der klassischen Risikofaktoren ermitteln. Das zusätzliche Testen der Gene ist teure Überdiagnostik, die keinen zusätzlichen Nutzen bringt und die man sich schenken kann. Weil die Kenntnis der Genvarianten die Prognose nicht verbessert, ist sie »klinisch ohne Bedeutung«. [147]
Unabhängig von der Gruppe um James Meigs sind Forscher aus Deutschland zum gleichen Ergebnis gekommen. Hans-Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke untersuchte mit seinen Kollegen die Blutproben von 579 Menschen, die an der Potsdamer Epic-Studie teilgenommen haben. Diese wurde 1992 begonnen und hat zum Ziel, etwaige Zusammenhänge zwischen der Ernährung und Typ- 2 -Diabetes mellitus, Krebs und anderen Erkrankungen zu erkennen. Zu Beginn der Studie waren die betreffenden 579 Teilnehmer noch gesund, sie sind aber im Laufe von etwa sieben Jahren an einem Typ- 2 -Diabetes mellitus erkrankt. [148] In ihrem Blut ermittelten die Forscher nun acht klassische Messgrößen wie Blutzucker-Spiegel, HbA 1 c-Wert sowie die Werte der Blutfette und Leberenzyme. Zum anderen analysierten sie zwanzig bekannte »Diabetes-Gene«.
Das Ergebnis hier: Die Kenntnis des genetischen Profils verbessert die Vorhersagekraft mitnichten. »Nach unserer Studie haben die klassischen Risikofaktoren wie Alter, Übergewicht, Ernährung und Lebensstil bereits einen so großen Einfluss, dass der Informationsgewinn hinsichtlich des Diabetes-Risikos durch die derzeit bekannten genetischen Marker verschwindend gering ist«, sagt Hans-Georg Joost.
Die vorstehenden Ergebnisse sind in zweifacher Hinsicht aufschlussreich. Einmal, die postulierten Diabetes-Gene gibt es so gar nicht; die biologischen Grundlagen der Zuckerkrankheit sind viel komplizierter als ursprünglich gedacht. Zweitens stehen die Erbanlagen, die gemeinhin als »Diabetes-Gene« bezeichnet werden, für die biochemischen Kreisläufe, die natürlicherweise eine Rolle spielen, wenn unsere Zellen Zucker verwerten. Diese Erbanlagen mögen von Mensch zu Mensch geringfügig variieren. Aber sie verdammen keinen zum Typ- 2 -Diabetes mellitus und verleihen umgekehrt auch keinen absoluten Schutz dagegen. Es ist der Lebenswandel, der darüber entscheidet, wer gesund bleibt und wer zuckerkrank wird.
Denkfehler der Pharmakologen
Während viele Mediziner davon ausgingen, den Typ-
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