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Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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mein Vater, er wolle nicht den Eindruck erwecken, dass er den Glauben an die Zukunft verloren hat, nur weil er Kolonisten ohne Rückfahrkarte auf eine Reise zum Mars schicken will. »Ich habe die Hoffnung für die Erde noch nicht aufgegeben, Julien.«
    Mein Vater beschloss, mir das zu beweisen, indem er mich auf einen Ausflug zu seinem Arbeitsplatz, CERN, mitnahm. Ich bin keine Mediennutte wie Zack, aber ich hoffte, dass ich dort zumindest ein bisschen Interesse wecken würde - doch das Einzige, was mir zuteilwurde, waren hochintelligente Leute, die mich anstarrten, als würden sie meine DNS durchleuchten, um zu sehen, ob ich irgendwelche Bienen anziehenden Bestandteile enthielt. Von »noch nie einen Wissenschaftler gesehen« hatte ich es zu »nur noch Wissenschaftler sehen« gebracht. Glücklicherweise (oder unglücklicherweise) lief mein Besuch schrecklich falsch (oder richtig) und endete letztlich damit, dass ich nach Kanada verfrachtet wurde.
    Und das kam so: Wir waren in der CMS-Anlage, wo zwei Freunde meines Vater in einem großen, hässlichen unterirdischen Saal arbeiteten, der aussah wie das riesige Innere einer Klimaanlage und sich über eine Länge von fünfundzwanzig Kilometern erstreckte.
    Man mag sich fragen, was man sich unter »Compact Muon Solenoid« vorstellen soll. Ich fragte mich das jedenfalls. Es ist eine zwölftausendfünfhundert Tonnen schwere Digitalkamera mit hundert Millionen Pixeln, die 3 -D-Aufnahmen von Kollisionen im Großen Hadronen-Speicherring macht, und zwar vierzig Millionen pro Sekunde. Reicht euch das?
    Mit mir waren noch zwanzig Leute in der Besuchertruppe - ein paar Wissenschaftler, mein Vater und eine Gruppe Studenten von einem Polytechnikum in Marseille. Die Erwachsenen diskutierten, ob wir technisch gesehen nun in Frankreich oder in der Schweiz seien, während die Studenten über Higgs-Bosonen und ihre Briefmarkensammlung sprachen und mich anstarrten wie ein exotisches Tier. Ich musste dringendst ein Pissoir finden, deswegen schlich ich auf der Suche nach Erleichterung eine stählerne Rampe hinunter und einen vielversprechend aussehenden Flur entlang. Ich trug Schutzhelm und einen Laborkittel und fiel nicht auf. Plötzlich gab es eine so laute Explosion, dass ich anschließend für ein paar Sekünden taub war. Die Detonation fegte ein paar Schilder von den Betonwänden hinter mir weg, und es gab Rauch, der anders als jeder Rauch roch, den ich je gerochen hatte. Überall schrillten Alarmsirenen los. Ich rannte den Weg zurück, den ich gekommen war, doch vor mir war eine Sicherheitstür verriegelt worden, wie in der alpinen Festung eines Superschurken aus einem James-Bond-Film.
    Und in diesem Moment bemerkte ich, dass ich mir in die Hose gepisst hatte.
    Habt ihr euch je in der Öffentlichkeit in die Hose gepisst? Man kann sich nur schwer etwas Demütigenderes vorstellen. Es sieht nicht nur fies aus, man stinkt auch nach Pisse. Menschen sollten nicht nach Pisse stinken. Das darf nicht sein.
    Ich wollte nicht, dass irgendwer den aufblühenden Pissflecken auf meiner Hose sah, deswegen rannte ich von der Explosionsquelle weg und rein in einen Flur, der eher nach Wartungseinrichtung als nach Wissenschaft aussah. Zumindest war die Luft sauber und kühl. Ich marschierte ein paar hundert Meter, bis ich an eine Tür kam, die in eine Art von Klassenzimmer führte, das keine Fenster hatte - es war ja tief unter der Erde -, nur Stühle, ein Pult, eine Leinwand und ein Telefon, das nicht funktionierte. Ich versuchte die Tür auf der anderen Seite des Raums zu öffnen, doch sie war verschlossen. Mist. Also wollte ich wieder in den Wartungsflur, aber auch die Tür hinter mir war nun verriegelt.
    Mittlerweile wurde meine Hose kalt und klamm. Die Belüftung war abgestellt worden, damit sich keine giftigen Dämpfe in der Anlage verbreiten konnten, und ich roch schlecht.
    Ich hörte einen leiseren Rums irgendwo in der Anlage, und dann flackerte das Licht. Ich glaube, die meisten Leute würden in solch einer Situation ausklinken - es ist praktisch so, wie lebendig begraben zu sein. Ich legte mich einfach auf den Boden und sann über die Ironie der Geschichte nach, dass ich schon wieder in einem öden Raum gefangen war.
    Ich hatte eine prähistorische Play-Station Portable dabei, die ich dort wiedergefunden hatte, wo ich sie vor etlichen Jahren vergessen hatte, nämlich im Handschuhfach des Wagens meines Vaters.
    Ich spielte eine Stunde lang oder so Metal Gear Acid und machte dann ein kurzes

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