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Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Betäubungsnebel hatte, der die Zeit schneller rumgehen ließ. Die Genfer hatten diese feisten Wir-essen-immer-noch wie-vor-der-Krise-Gesichter. Dunkle Geheimnisse? Die haben bestimmt alle halbtote Sexsklaven im Keller, mit diesen Gummiknebeln im Mund, oder irgendwas vergleichbar Schändliches und Abartiges. Meine Großmutter ist komplett gaga und hat noch nicht mal mitbekommen, dass es keine Bienen mehr gibt, daher bringt sie auch keinerlei Verständnis für mein Problem auf, außer dem Kommentar, dass man ja heutzutage kaum noch Erdbeermarmelade findet und alle Säfte so künstlich schmecken, weil sie nun mal künstlich sind. Und sonst? Ich erfuhr dort, dass mein Vater die Nächte seiner fünftägigen Arbeitswoche in Genf-Meyrin verbringt, sich mit Schnaps anglüht und sich dabei auf YouTube seine Vergangenheit ansieht (NASA; Velvet Underground; Leona Lewis, die »Somewhere Over the Rainbow« bei X Factor singt). Außerdem nahm er Solon.
    Um mich überhaupt ein bisschen im Promi-Interesse an mir als dem einzigen Menschen, der in Europa von einer Biene gestochen wurde, zu sonnen, musste ich bis in die City latschen, mich vor den Fenstern des Mövenpick herumdrücken und so tun, als würde ich die Speisekarte lesen. Und selbst da kamen die Begeisterungsrufe nur von Nicht-Schweizern.
    Aber was das Schlimmste war: World of Warcraft weigerte sich kategorisch, mich zur Kenntnis zu nehmen, selbst als ich es unter verschiedenen Pseudonymen und mit der Kreditkarte meiner Großmutter versuchte. Es war, als hätte das Programm einen Julien-Detektobot, der alle Schotten dichtmachte, sobald er Witterung von mir bekam. Vielleicht erkannte er mich an der Art, wie ich tippte, oder an meiner Syntax. Wer steckte hinter meiner völligen Auslöschung? Das mir, dem einst so stolzen Xxanthroxxusxx!
     
    Mein Vater ist nicht so blöd und desinteressiert, wie ich ihn hinstelle, auch wenn ich glaube, dass er sich mehr (und bessere) Kerkergeschichten von mir erhofft hatte. »Du hast in einem Zimmer gehockt, während dir die Stimme von Johnny Hallyday Fragen stellte? Das ist alles?«
    »Sie haben mich auf dem Flug nach Schweden betäubt.«
    »Wie lange willst du in Genf bleiben?«
    »Ich will morgen zurück nach Paris, Papa. Hier ist es so langweilig, es ist wie ein Schlaganfall, der nicht mehr aufhört.«
    »Ich finde, du solltest wieder zur Sorbonne gehen, Julien. Ich habe vor zwei Wochen mit dem Dekan gesprochen. Die Universität hat dir ein Freisemester eingeräumt, was ziemlich entgegenkommend ist, wenn man bedenkt, dass du offenbar seit Monaten keine Seminare mehr besucht hast.«
    Erwischt.
    »Könntest du mir erklären, warum?«
    »Ich wurde in die Warcraft-Welt reingezogen und kam nicht wieder raus.«
    »Das nächste Semester beginnt in drei Wochen - dann gehst du zurück nach Paris.«
    Meine Großmutter sah im Hintergrund fern; gerade liefen Bilder von Sams Rückkehr nach Neuseeland. Die Frau war doch provokanter gekleidet, als ich erwartet hatte.
    Ich hatte in Genf kein Laptop und auch kein Handheld. Ich wollte die Kiste meines Vaters benutzen, aber der trieb sich pausenlos in irgendwelchen Diskussionsforen zu Marsmissionen rum, vor allem auf einer Seite, die sich für »Kolonisierungsflüge« ohne Wiederkehr starkmachte. Ich sagte zu ihm: »Das können die doch nicht ernst meinen - einen Astronauten zum Mars zu schicken, in dem Wissen, dass er nie zurückkommt. Das ist eine Selbstmordmission.«
    »Nein, das ist Kolonisierung.«
    »Nein, das ist eine Selbstmordmission.«
    »Der erste wartet dann, bis der nächste Kolonist eintrifft und sie eine Zivilisation in Gang bringen können.“
    »An so was glaubst du?“
    »Ja, tu ich.«
    Also ging ich auf den sauberen Straßen von Genf spazieren, die mir das Gefühl gaben, die Welt hätte immer noch Geld. Ich sah eine Frau in hochhackigen Schuhen und Schürze, die von Hand einen blühenden Weinstock bestäubte; ein Düsenjäger flog über uns hinweg; ich erinnerte mich nicht, welche Jahreszeit wir hatten. Drei Speedfreaks schlitterten an einem Kiosk vorbei und blieben stehen, um mich anzustarren wie eine Reklametafel, die etwas bewarb, das sich niemand leisten konnte. In den alten Zeiten wären sie Heroinsüchtige gewesen, aber Mohn ist auf Bienen angewiesen.
    Mein Leben gehörte nicht mehr mir selbst. Ich stand neben mir und schaute zu, und so ging es nicht weiter. Ich musste mich mit Zack, Sam, Diana und Harj in Verbindung setzen. Das stand für mich fest.
     
    Am nächsten Morgen sagte

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