Generation A
Fehlzündung jedes einzelnen Neurons im Gehirn ihrer Tochter.
Kimberly, deren Zähne vor Angst klapperten, kroch in den Bettwäscheschrank und machte die Tür hinter sich zu.
»Scheiße. Wir müssen sie zum Arzt bringen«, sagte ihr Vater.
»Kannst du dir heute freinehmen?«
»Geht nicht. Heute ist unser jährlicher Riesen-Winnebago-Ausverkauf zum Saisonende. Kannst du es machen?«
»Na schön. Komm, Prinzesschen«, sagte Kimberlys Vater. »Zieh dich an, und dann gehen wir mal schauen, ob wir diese schaurigen Dinger verscheuchen können.«
Auf der Fahrt in die Klinik kauerte Kimberly im Fußraum vor dem Beifahrersitz. Ihr Vater hoffte nur, dass er nicht wegen Verstoßes gegen die Gurtpflicht angehalten werden würde.
In der Klinik sprachen sie mit Dr. Marlboro, der das Problem schnell erfasste. »Beruhigungsmittel werden nicht helfen«, sagte er. »Es wird gar nichts helfen. Hier wurde eine lebenslange schreckliche Phobie ausgelöst. Wir können bestenfalls hoffen, dass die Angst mit der Zeit abnimmt und beherrschbar wird. Bei jungen Menschen, die zur falschen Zeit den falschen Film gesehen haben, geht sie normalerweise nach ungefähr sechs Wochen etwas zurück - aber die Nachwirkungen bleiben ein Leben lang spürbar.«
»Was für ein Quacksalber sind Sie eigentlich?«, fragte Kimberlys Dad.
»Bitte mäßigen Sie ihre Ausdrucksweise, Mr. Kellogs. Auf Wiedersehen.«
Mr. Kellogs ging wütend mit seiner Tochter zu einem anderen Arzt, von dem er gehört hatte, dass er einem praktisch alles verschrieb.
Kimberly verlebte den darauffolgenden Monat in einem Wattenebel. Dann gingen ihr die Tabletten aus, und als ihre Eltern ihr neue verschreiben lassen wollten, stellten sie fest, dass der Pillendoktor sich vor diversen Klagen wegen Behandlungsfehlern nach Florida geflüchtet hatte. Alle anderen Ärzte in der Stadt hatten ihre Praxen geschlossen und sahen sich im Fernsehen Golfmarathons an, und die unsedierte Kimberly war wieder bei klarem Verstand. Und hatte erneut Todesangst vor der Welt.
Während Kimberly in dumpfer Betäubung gelebt hatte, war aus dem Frühling Sommer geworden. Kimberlys Mutter kam eine Idee: »Warum schläfst du nicht draußen auf dem Rasen? Da sind keine Fenster.«
Da war was dran. In dieser Nacht schlief Kimberly hinten im Garten, genau in der Mitte zwischen dem Haus und dem Zaun.
»Tja, Einstein«, sagte ihr Vater zu ihrer Mutter. »Ich freue mich zu sehen, dass mal was funktioniert. Sie kann nicht für ewig mit Sedativa leben.«
Mit 360 Grad Rundblick schlief Kimberly sehr schnell ein. Am nächsten Morgen schreckte sie hoch und fürchtete sich, dann erkannte sie, wo sie war, und beruhigte sich. Das ging einen Monat so, in dem sie sich ausschließlich draußen aufhielt und nur ins Haus ging, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ. Das Wetter war schön und das Leben ebenso.
Dann wachte sie eines Morgens auf und sah zwei wie Politiker gekleidete Männer durch den Carport in den Garten kommen. Sie klingelten an der Hintertür. Kimberlys Mutter machte ihnen auf.
So leise sie konnte, schlich sich Kimberly ans Haus heran. Sie huschte von Fenster zu Fenster, schaute hinein und entdeckte dabei, dass Fenster gar kein Problem sind, solange man von außen reinsieht.
Schließlich kam sie ans Wohnzimmerfenster. Sie schaute hinein und sah ihre Eltern vor den beiden Männern knien, die ihre Köpfe öffneten wie Dosendeckel. Quallententakel kamen zum Vorschein und legten sich um die Schädel ihrer Eltern. Nach dreißig Sekunden zogen sie die Tentakel wieder ein, zurück in ihre Köpfe, und die Köpfe schnappten zu. Die Kreaturen holten Hundeleinen aus ihren Taschen, die sie Kimberlys Eltern anlegten. Dann führten sie ihre Eltern zur Vordertür hinaus und auf die Straße, wo andere Aliens bereits dabei waren, die Nachbarn zusammenzutreiben.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass Kimberly todesmutig den geladenen Colt aus dem Nachttisch ihres Vaters holte, um ihre Eltern zu retten.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie im vergeblichen Versuch, sie zu retten, ihren Eltern nachlief und dabei schließlich selbst zu einem Haustier wurde.
Stattdessen sah sich Kimberly das Haus ihrer Eltern an, das nun ihr allein gehörte. Sie ging zur Vordertür rein, riss alle Fenster auf, ließ frische Luft herein und sang: »Es ist meins, meins, meins! Alles meins!«
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DIANA
Juliens Geschichte rief etwas in mir wach, denn wir mussten in meiner Kindheit mal in einer Hütte übernachten, und die
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