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Generation A

Generation A

Titel: Generation A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Wahrnehmungen und Erfahrungen von der Welt nicht trauen.«
    »Ich glaube, ich drehe durch.«
    »Im Grunde kommt Durchdrehen bei Einzelpersonen relativ selten vor. Es sind immer Menschengruppen, die durchdrehen. Staaten, Sekten ... Religionen.«
    Zoe sagte: »Ich wünschte, ich würde rauchen. Dann wäre jetzt der ideale Moment für eine Zigarette.«
    »Ich lasse uns vom Butler eine bringen.« Ihr Vater lehnte sich hinüber zu einer Gegensprechanlage neben seinem Bett und sagte: »Bitte bringen Sie mir eine Zigarette.« In Sekundenschnelle war der Butler mit einer Menthol-Filterzigarette auf einem burgunderroten Kissen zur Stelle. »Versuch sie, Zoe, damit du weißt, was dir all die Jahre entgangen ist.«
    Der Butler zündete Zoe die Zigarette an. Sie atmete ein wenig Rauch ein, hustete und empfand einen leichten Schwindel. »Das schmeckt scheußlich.«
    »Manchmal ist das, was schlecht für unseren Körper ist, gut für unsere Seele. Rauch noch ein bisschen weiter. Du wirst es lieben. Bald wirst du gar nicht mehr damit aufhören können.«
    Zoe inhalierte noch einmal. Es war nicht so schlimm wie bei den ersten paar Zügen. »Weiß sonst noch irgendwer, dass du an gar nichts glaubst?«
    »Nur deine Mutter.«
    »Hast du keine Angst vor dem Tod?«
    »Auf jeden lebenden Menschen auf Erden kommen Millionen von Toten, die ihnen vorausgegangen sind - und es werden Milliarden von Toten nach uns kommen. Am Leben zu sein ist nur eine kleine Formalität. Warum regst du dich so auf?«
    »Es ist einfach ein bisschen viel zu verdauen!«
    »Pfffff. Was gibt's da zu verdauen? Das ist es doch gerade. Bald bist du Königin, und du wirst den lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als exzellente Tischmanieren zu beweisen und bei der Eröffnung von Gartenschauen ein Band durchzuschneiden. Und du wirst auch mit einigen Monstern fertigwerden müssen.«
    »Monstern?« Das war Zoe neu.
    »Ja, Monstern. Menschen, die sich so in einen Glauben verrennen, dass sie ihre eigene Wahrnehmung abschalten. Jeder beschimpft Politiker als Monster, dabei sind sie eigentlich ziemlich pflegeleicht, weil sie wenigstens ehrlich zu dem System stehen, das sie benutzen, um der Realität zu entfliehen. Die wahren Killer sind die stillen Gläubigen. Es sind immer verschlossene Zwanzigjährige, die plötzlich mit der Sprengstoffweste auf dem Marktplatz stehen.«
    Zoe saß da und rauchte ihre Zigarette zu Ende, ein angenehm entspannter Moment zwischen Vater und Tochter. Der Regen prasselte ans Fenster wie ein Irrer, der Einlass wollte. Sie drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus, der eine Miniaturausgabe der Magna Charta darstellte. Sie sagte: »Hast du heute Morgen in den Nachrichten von den Überschwemmungen gehört?«
    »Habe ich.«
    »Sie sagen, die königliche Gruft wird bald vollaufen.“
    »Das ist doch mal was«, sagte der König.
    »Papa, du sollst dort beigesetzt werden.«
    »Stell dir bloß mal vor, die ganzen juwelenstarrenden Skelette werden in den Fluss gespült.«
    »Papa, wir müssen eine andere Stelle finden, an der wir dich beerdigen können. Was sollen wir tun? Wo sollen wir dich beisetzen, wenn nicht in der königlichen Gruft?«
    »Überrasch mich«, sagte der König und starb, womit Zoe Königin wurde. Und als sie dort saß und so über ihre Zukunft nachdachte, schaute sie auf die Zigarettenkippe und hatte das eigenartige Gefühl, dass die Zigarette zurückschaute.
    Und dann wurde ihr klar, dass auch sie an nichts glaubte.
    Dann fragte sie sich, ob an nichts zu glauben sie der Möglichkeit beraubte zu lieben.
    Und dann klingelte sie nach einer weiteren Zigarette, ihre erste Amtshandlung als Königin.
    _

JULIEN
    Zut! Ich hätte nie gedacht, dass ich, Julien, mal daran Freude haben würde, einen Nachmittag lang auf einem Baumstumpf zu sitzen und zuzusehen, wie die Raben moules auf Felsbrocken fallen lassen oder wie die hereinkommende Flut den Sand verschlingt, oder den Wellen zuzuhören, die auf die Steine an der Küstenlinie nördlich von Tower Hill eintrommeln, wo jeder der Kiesel die Größe und Form eines Eis hat. Und Geschichten erzählen? Holyfucking zut!
    Ich fragte Serge: »Kannst du uns sagen, warum es so ungewohnt und kompliziert ist, sich eine Geschichte auszudenken? Was kann daran so schwer sein? Und trotzdem fällt es uns schwer.«
    Serge sagte: »Geschichten entstammen einem Teil von euch, der nur selten konsultiert wird - manchmal auch nie. Ich glaube, die meisten Menschen sind so damit beschäftigt, sich selbst

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