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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Finger im Spiel. Aber eigentlich mache ich mir wenig Gedanken – es kann für uns nur leichter werden. Fürs Volk genauso: eine Identität für alle und Butter auf Marken. Nur Sasha Blo hält mal wieder alle auf mit seiner russischen Idee.«
    »Nun mal langsam!« Tatarski sträubten sich die Nackenhaare. »Willst du mir einen Schreck einjagen? Wer wird denn der nächste, nach Jelzin?«
    »Der, der die meisten Stimmen kriegt, natürlich. Was dachtest du? Bei unseren Wahlen geht es genauso pingelig zu wie in den USA.«
    »Haben wir das wirklich nötig?«
    »Nötig haben wir das bestimmt nicht. Aber sonst würden sie uns den neuen Render nicht verkaufen. Die haben ein novelliertes Handelsgesetz – alles hat so zu sein wie bei ihnen. Total hirnverbrannt.«
    »Was geht die das überhaupt an? Ich meine, was bringt ihnen das?«
    »Wahlen kosten viel Geld«, sagte Morkowin finster. »Sie wollen unsere Wirtschaft ruinieren, das ist es. Zumindest gibt es Leute, die das behaupten. Überhaupt finde ich ja, daß wir in einer Sackgasse sind. Wozu diese Hohlköpfe redigitalisieren. Eine völlig neu konstruierte Politikerriege müßte her, junge Gesichter. Bei Null anfangen, eine Focus-Group ranlassen: Visage und Ideologie in einem Aufwasch.«
    »Warum gibst du Asadowski nicht den Tip?«
    »Versuch dem mal einen Tip zu geben. So, wir sind da.«
    Sie befanden sich vor einer kleinen, von zwei Stoppschildern flankierten Abzweigung, in die Morkowin einbog; sie führte in den Wald. Nach kurzer Fahrt in gedrosseltem Tempo war die Straße von einer Ziegelmauer mit hohem Eisentor zu Ende. Morkowin hupte zweimal, das Tor ging auf, und sie fuhren auf einen fußballfeldgroßen Hof.
    Asadowskis Landhaus bot einen bizarren Anblick. Am ehesten fühlte man sich an die Moskauer Basiliuskathedrale erinnert – nur doppelt so groß und von einer Vielzahl von Wirtschaftsgebäuden umstellt. Geschraubte Türmchen und putzige Giebelchen waren mit allerlei Balkönchen, diese wiederum mit Balustraden aus winzigen, bauchigen Säulchen verziert; sämtliche Fensterläden im ersten Stock waren geschlossen. Ein paar Rottweiler liefen frei auf dem Hof umher. Aus dem Schornstein eines der Anbauten stieg eine kleine blaue Rauchsäule, vermutlich wurde die Sauna geheizt. Asadowski selbst wartete inmitten einer kleinen Suite (darunter Sasha Blo und Maljuta) auf der Freitreppe. Er trug einen Tirolerhut mit Feder, der ihm ausgesprochen gut stand und seinem runden Gesicht etwas edelmütig Verwegenes gab.
    »Da seid ihr ja endlich«, sagte er. »Wir haben beschlossen, uns unters Volk zu mischen. In die Bahnhofskneipe, auf ein Bier.«
    Tatarski hatte plötzlich Lust, seinem Chef eine Nettigkeit zu sagen.
    »Wie Harun al Raschid mit seinen Wesiren, nicht wahr?«
    Asadowski sah ihn verständnislos an.
    »Der ist doch immer verkleidet durch Bagdad gezogen«, erklärte Tatarski, während er seinen Vorstoß schon wieder bereute. »Zu sehen, wie das Volk so lebt. Und seinen Sympathiewert zu steigern.«
    »Durch Bagdad?« fragte Asadowski mißtrauisch. »Was für ein Harun?«
    »Ein Kalif. Von ganz früher, neuntes Jahrhundert.«
    »Ach so. Ich wollte schon sagen. Heute lohnt es nicht mehr, in Bagdad rumzulaufen. Alles wie bei uns – bloß daß sich die Leibwache im Schnitt auf drei Jeeps verteilt. Sind alle da? Dann aufgesessen!«
    Tatarski fand Platz im hintersten Auto – dem Range Rover von Sasha Blo. Der hatte schon einiges getrunken und schien in gehobener Stimmung zu sein.
    »Ich wollte dir noch gratulieren«, sagte er. »Dein Material zu Beresowski und Radujew war das beste Kompromat im Quartal. Das sag ich dir ganz reell. Besonders die Stelle, wo sie Rußlands mystischen Leib an den sakralen Hauptpunkten mit ihren Fernsehbohrtürmen piercen wollen. Und die Aufschrift auf dem Monopoly-Spielgeld: In God we Monopolize – köstlich! Na, und dem Radujew eine Kippa aufzusetzen, da muß man erst mal drauf kommen.«
    »Halb so wild«, sagte Tatarski; ihm schwante Böses. Hatten wir diesem Arschloch Maljuta nicht eingeschärft, die Finger von Radujew zu lassen? dachte er. Jetzt heißt es garantiert: Geld zurück. Kann man froh sein, wenn’s keine Zinsen kostet.
    »Sag lieber, wann deine Abteilung mit einer ordentlichen Idee zu Potte kommt?« fragt er. »Wie weit ist das Projekt gediehen?«
    »Tut mir leid, alles noch unter Verschluß. Aber laß dir sagen, da ist was im Werden. Etwas, wonach ihr euch alle zehn Finger leckt. Nur Attilas Rolle ist noch nicht restlos geklärt,

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