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Generation P

Generation P

Titel: Generation P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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und am Styling muß noch gefeilt werden – damit sich so eine Art fester Kontrapunkt aus Kirchenorgel und Ziehharmonika ergibt.«
    »Attila? Warte mal. Ist das der, der Rom angezündet hat? Was hat denn der dabei verloren?«
    »Attila heißt wörtlich: Mann aus Itel. Und Itel ist ein alter Name für die Wolga. Attila als alter Wolgarusse. Verstehst du, wohin der Hase läuft?«
    »Nicht so richtig.«
    »Wir sind doch das dritte Rom. Und jetzt stellt sich raus, das liegt schon immer an der Wolga. So daß wir unsere Schlachten zu Hause schlagen können. Wir leben in vollkommener historischer Selbstreferentialität und nationaler Würde.«
    Tatarski ließ den Gedanken auf sich wirken.
    »Doch«, sagte er. »Nicht übel.«
    Er blickte aus dem Seitenfenster und sah auf einmal in einiger Ferne die Spitze eines gigantischen Bauwerks aus dem Wald ragen: einen Betonquader mit spiralig um alle vier Seiten herumführender Schräge und einem kleinen grauen Türmchen obenauf. Er kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder: Das Ungetüm war nicht verschwunden, nur ein bißchen nach hinten gerückt. Tatarski stieß Sasha Blo an den Ellbogen, so daß der Wagen kurz ins Schlingern kam.
    »He, bist du bescheuert?« rief Sasha.
    »Schau schnell da rüber!« sagte Tatarski. »Siehst du den Betonturm?«
    »Was ist damit?«
    »Hast du eine Ahnung, was das ist?«
    Sasha sah hin.
    »Ach ja. Asadowski hat vorhin davon erzählt. Da haben sie mal eine Raketenabwehrbasis bauen wollen. Mit Frühwarnsystem und so. Über das Fundament und die Mauern sind sie wohl nicht hinausgekommen. Gab ja plötzlich keinen mehr, vor dem sie hätten warnen sollen. Asadowski hat den Plan, das Ding privatisieren und fertigbauen zu lassen – nicht als Radarstation natürlich. Soll sein neuer Landsitz werden. Der Stil gefällt ihm, sagt er. Ich für mein Teil kann Betonmauern nicht ausstehen. Was macht dich denn so juckig an dem Ding?«
    »Nichts. Sieht einfach merkwürdig aus. Wie heißt denn der Bahnhof, zu dem wir fahren?«
    »Rastorgujewo.«
    »Rastorgujewo. Dann ist mir alles klar.«
    »Da vorne ist es übrigens schon. Da in dem Haus. Der übelste Schuppen in ganz Moskau und Umgebung. Leonid trinkt hier sonntags gern sein Bierchen. Um zu spüren, wie weit er es im Leben gebracht hat, behauptet er.«
    Das Lokal im Souterrain eines verwitterten Backsteinbaus neben dem Bahnsteig war in der Tat bemerkenswert dreckig und stinkend, und das Publikum an den Tischen, vor sich den Wodka in Viertelliterflaschen, paßte hierher. Allenfalls zwei Ganoven in Jogging-Anzügen, die an einem Stehtisch neben dem Eingang lungerten, fielen etwas aus dem Rahmen. Tatarski war überrascht, daß Asadowski ein paar der Männer mit Handschlag begrüßte – er schien hier tatsächlich Stammgast zu sein. Mit der einen Hand griff sich Sasha Blo zwei Gläser mit blassem Bier, mit der anderen packte er Tatarski beim Arm und zerrte ihn zu einem weiter hinten gelegenen Tisch.
    »Hör mal«, fing er an, »ich hätte da einen kleinen Auftrag für dich. Zwei Brüder von mir sind aus Jerewan nach Moskau gezogen und haben ein Geschäft aufgemacht. Ein exklusives Bestattungsbüro, Service der Sonderklasse. Sie spekulieren darauf, daß momentan unwahrscheinlich viel Geld zwischen den Banken in der Schwebe ist. Bald wird es losgehen, daß die Herrschaften sich dieses Geld gegenseitig aus dem Jackett schütteln. Da dürfte sich eine reelle Marktlücke auftun.«
    »Keine Frage«, sagte Tatarski und sah zu den zwei Ganoven an der Tür hinüber; die beiden tranken tschechisches Bier aus mitgebrachten Flaschen. Was sie an einem solchen Ort verloren hatten, war unklar – womöglich ungefähr dasselbe wie Asadowski.
    »Ich würde dich um einen Freundschaftsdienst bitten«, plapperte Sasha Blo weiter. »Schreib mir zwei proppere Slogans, die bei der Zielgruppe reell anschlagen. Wenn die Sache ins Laufen gekommen ist, kriegst du es bezahlt.«
    »Erinnert mich an alte Zeiten. Welcher Quark macht die Marke stark?«
    »Sagte ich doch: Sterben de Luxe.«
    »Und die Firma soll wie heißen?«
    »Nur der Name: Bestattungsinstitut Gebrüder Debirsjan. Denkst du drüber nach?«
    »Klar«, sagte Tatarski. »Kein Problem.«
    »Übrigens«, sagte Sasha, »du wirst es nicht glauben, die zwei hatten schon einen guten Bekannten von uns als Kunden. Bevor die Witwe verduftet ist, hat sie ein Eins-a-Begräbnis bestellt. Vorkasse.«
    »Für wen denn?«
    »Entsinnst du dich an Chanin von der Agentur Konspiration und

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