Generation Wodka
Doch Max und der Anwalt wussten es vermeintlich besser.
Alle Verhöre, Zeugenbefragungen, Indiziensammlungen haben übrigens nicht gereicht, um Max selbst von seiner Schuld zweifelsfrei zu überzeugen. Bis heute rätselt er, ob er wirklich der Täter war. Er kann sich nur bruchstückhaft an den Tag erinnern. Ja, er war besoffen und zugedröhnt. Aber das bestimmt nicht zum ersten Mal â und Exzesse, die auch nur im Ansatz einer Vergewaltigung oder einem entsprechenden Versuch nahegekommen wären, hat es seiner Erinnerung nach zuvor nie gegeben.
Niemals wieder würde er einen Tropfen Alkohol anrühren, das hat er sich geschworen. Seine Familie hat ihn nach seinem Knastaufenthalt wieder zu Hause aufgenommen. Dort hofft er zu lernen, sich wieder in die Gesellschaft einzufügen. Einen Job hat er bereits gefunden. Der Alkohol hat seine Persönlichkeit verändert, einen anderen Menschen aus ihm gemacht, eine hässliche Fratze zum Vorschein gebracht. Ohne Alkohol, so hofft er, wird er wieder der Mensch, der er früher einmal war.
***
Den Geruch dieses schlimmen Tages wird er wohl niemals vergessen. Manchmal trifft er ihn noch heute, wie ein Blitz schlägt er bei ihm ein, setzt sich neu in seiner Nase fest. Im Knast hat man ihn verprügelt, im Beisein und unter Duldung der Wärter. Da will er nie wieder hin, da ist er sich sicher. Ohne Alkohol wird er das wohl auch durchhalten.
Zu seinem brutalen Zellengenossen hat er keinen Kontakt mehr. Der wird auch schon wieder von der Polizei gesucht, hat er gehört. Maxâ Freundin muss sich erst wieder an ihn gewöhnen. Das Leben hat sich verändert in diesen Jahren, als er im Knast saÃ. Er hat das dort nicht bemerkt, er war zu sehr mit Grübeln beschäftigt.
Wenn er jetzt im Supermarkt an den Spirituosenregalen vorbeigeht oder auf Plakatwänden Schnaps- oder Wodkawerbung sieht, stöÃt er einen leisen Fluch aus, weil die verheiÃene Leichtigkeit des Promillespiegels tatsächlich ein solches Elend über sein Leben und das des geschändeten Mädchens gebracht hat. Es verstört ihn bis auf den heutigen Tag, wie ihn der Rausch erst seines Bewusstseins und schlieÃlich auch seiner Freiheit beraubt hat.
Â
Wie der Alkoholmissbrauch anfängt
Die âDruckbetankungâ, das schnelle Trinken, um möglichst schnell einen Rausch zu bekommen, ist sicher eine Begleiterscheinung unserer modernen, schnelllebigen Zeit. Es muss alles ruckzuck gehen, ohne Schnörkel, ohne langen Anfahrtsweg, sozusagen ohne Vorspiel. So wird gelebt, so wird gegessen â und so wird eben auch Alkohol getrunken. Aber es wurde natürlich schon immer Alkohol konsumiert, gerade unter Jugendlichen. Früher hatte man nur nicht solche Begriffe dafür wie âKomasaufenâ oder âDruckbetankungâ. Auch hat die Quantität des Alkoholkonsums von Jugendlichen vor 30 Jahren noch niemanden wirklich interessiert.
Aber eine Parallele gibt es zwischen gestern und heute:
Der GroÃteil der jungen Menschen lernt das Trinken nicht durch Geschwister, Freunde und Mitschüler, sondern durch die Eltern und anderen Erwachsenen im persönlichen Umfeld kennen.
Was vielleicht manche überrascht: Auf dem Land wird statistisch mehr getrunken als in den GroÃstädten unseres Landes. Das wird gerne übersehen.
âWas soll man auf dem Land auch sonst in seiner Freizeit machen?â, denken viele der jungen Menschen. Vor allem der leichtfertige Umgang mit Alkohol in den Familien und Haushalten in unserem Land wirft viele Fragen auf. Warum müssen die Vorratsschränke in den Wohnzimmern, Küchen, Speisekammern und Kellern mit Spirituosen jeglicher Art gefüllt sein? Viele Haushalte horten unzählige Flaschen mit alkoholischen Getränken â mehrere Kästen Bier, zahllose Flaschen Wein, Regalbretter voller Schnäpse, Liköre und Aperitifs. Hier wird schon Kindern gezeigt, dass Alkohol anscheinend unverzichtbar ist. Wenn Papa und Mama davon so viel vorrätig haben, dann wird es schon nicht so schlimm sein, wenn auch die Kids mal einen über den Durst trinken.
Fragen wir einen trockenen Alkoholiker, wie er den Suchtdruck vermeiden kann, so wird er antworten: âWenn ich dem Alkohol aus dem Weg gehe, habe ich meistens auch kein Verlangen danach!â Doch wie muss man sich das vorstellen? Kann er zukünftig seine Wohnung nur noch mit verbundenen Augen verlassen? Bei den Jugendlichen ist
Weitere Kostenlose Bücher