Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
sagte er charmant. Seine Augen waren wunderschön, beinahe als ob Elias mit ihr sprechen würde.
»Wirklich?«, fragte Anna und fühlte sich geschmeichelt. Gedankenverloren nahm sie die von Haylee gestrickte Wollmütze ab, zog mehrere Haarspangen aus dem hochgebundenen Zopf und ließ ihrer wallenden roten Mähne freien Lauf.
Er lachte. »Sehen Sie, schon fertig.«
»Das ging aber schnell. Wie viel bekommen Sie?«, fragte Anna und öffnete ihre Geldbörse, zum Glück hatte sie Bargeld dabei, sie wollte großzügig sein.
»Es ist Weihnachten. Ich schenke es Ihnen«, sagte er zufrieden und drehte die Staffelei zu ihr herum.
Anna lächelte, das war doch nicht sie, der Künstler hatte Kira gemalt, das musste ein Missverständnis sein. So ein Bild konnte sie nicht verschenken, Kira wirkte hager, ärmlich angezogen, mit Dreck im Gesicht und an den Händen. Zudem hatte sie einen kahl rasierten Schädel, den einige unschöne Narben zierten.
»Warum hast du mir mein Leben genommen?«, fragte Kira, die sich auf dem Bild zu bewegen schien.
»Es ging nicht anders«, antwortete Anna, die sich in diesem Moment in Grund und Boden schämte. »Ich wollte nicht sterben, ohne etwas zu hinterlassen.«
»Und deswegen hast du mich getötet?«, fragte Kira fordernd. »Mütter geben Leben!«
»Das tun Mütter, das stimmt, ich habe dir mein Leben geschenkt. Auf der Horizon wärst du umgekommen. Ich habe das Schiff geopfert, um dich und die anderen Menschen zu retten. Meine Erinnerungen sollen dir helfen, zukünftig bessere Entscheidungen zu treffen.«
»Entscheidungen?«, fragte Kira sichtlich versöhnlicher.
»Die Entscheidung zu verzeihen, zu widersprechen, zu vertrauen, sich zu wehren, zu lieben, zu kämpfen, zu dienen und zu überleben. Es ist deine Aufgabe, den anderen den Weg zu zeigen.«
»Wohin?«, fragte Kira.
»Nach Hause.«
»Wo ist das?«
»Wo immer ihr überleben könnt.«
»Das werde ich tun.«
»Tust du mir noch einen Gefallen?«, fragte Anna blutüberströmt und auf dem rechten Auge blind.
»Gerne.«
»Küsse Elias von mir.« Anna schloss die Augen.
... und Kira öffnete sie wieder. Der EMP hatte die Codierung in ihrem Kopf deaktiviert. Jetzt wusste sie alles: Annas ganzes Leben, jede Minute; jeden Moment der Freude; jedes kleine Geheimnis; jede Berührung; jeden Geruch; jeden Geschmack und jeden Schmerz. Anna hatte ihr nicht nur Erinnerungen hinterlassen, Kira war Anna, ein Replikant, ein Mensch, die Vergangenheit und die Zukunft. Sie würde kämpfen! Für alle! Und überleben!
»Geht es dir gut?«, fragte Sequoyah, die sie in den Armen hielt. Die Rüstung hatte sie ausgezogen. Sie befanden sich im Shuttle auf dem Flug nach Proxima.
»Ich bin Anna.«
»Ich weiß«, sagte Sequoyah und küsste ihre Stirn.
Anna lief durch Proxima, im Prinzip sahen die Steinkuppeln genauso aus wie in Carchuna, nur zahlreicher und auf einem weiteren Areal verteilt. Nach der Landung folgte sie Sequoyah, sie wollten zum General, die aktuelle Lage besprechen.
Die Stadt füllte sich mit Menschen, die Shuttles im Minutentakt aus den kleineren Siedlungen evakuierten. Glücklich sah von denen niemand aus. Von der Bedrohung aus dem All durfte inzwischen jeder erfahren haben und so waren alle sichtlich bemüht, so schnell wie möglich unter die Erde zu kommen. Ob das genügen würde? Es donnerte, der Himmel über ihr wirkte sorgenschwer, das würde das erste Gewitter in der Wüste werden, das sie je erlebt hatte.
»Das ist kein normales Gewitter«, sagte Anna, während sie Sequoyah hinterher hastete.
»Natürlich nicht. Der Regen kommt nicht zum Boden, der verdunstet bereits in der Luft.«
»Theoretisch sind aber durch die enorme Luftdruckveränderung schwere Sandstürme möglich ... die sind gefährlicher als Regen«, folgerte Anna, was ihr einleuchtend erschien.
Sequoyah lächelte. »Versuche noch ein wenig wie Kira zu sein, naiv und lieb, Peter könnte auf zu viel weibliche Intelligenz allergisch reagieren, und Annas Wiederauferstehung sollte er ebenfalls in homöopathischen Dosen aufnehmen.«
»Du hast doch nicht mit ihm geschlafen?«, fragte Anna überrascht, sie kannte ihre Freundin gut.
»Es gibt auf Proxima nicht viel Auswahl«, rechtfertigte sich Sequoyah süffisant.
»Aber doch nicht Peter ...«
»Er kann auch charmant sein.«
»Das muss an der Haarfarbe liegen.« Anna schmunzelte, die Sorge hatte sie nicht mehr. Mit der Hand strich sie über ihren kahlen Kopf.
»Deiner? Meiner oder seiner?«
»Du hast
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