Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
Schriftzeichen, die Farben, sie wandte den Blick ab und schwankte kurz. Die andere Spezies sah die Welt eindeutig nicht mit denselben Augen. Bereits nach wenigen Momenten drohte ihr die teilholographische Tiefe, den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Als ob man völlig betrunken in einen hundert Kilometer tiefen See blickte. Zudem sah sie mit jedem Auge etwas anderes. Konnte das Display etwa die Iris ihrer beiden Augen separat fokussieren? Das hätte Sinn gemacht, Anna kannte sich mit solchen Dingen aus.
»Konnte das funktionieren?« Kira konzentrierte sich. Logisch, sie musste es nur zulassen, mit beiden Augen verschiedene Dinge zu sehen. Anna konnte das, sie hatte sich dazu früher ein Gerät durch die Nasenwurzel gestochen. Kira lächelte, ein praktisches Accessoire, das gefiel ihr. Sie besann sich Annas Erinnerungen. Die vielen Jahre, die sie als junges Mädchen benötigt hatte, um sich diese Kunstfertigkeit anzueignen. Sie sah, hörte, erlebte jeden Moment. Jahre, Tage, Sekunden, jetzt konnte sie das auch.
Kira blickte erneut auf den außerirdischen Computerbildschirm. Das war einfacher als angenommen, das System zeigte auf dem rechten Auge dynamisch den Status mehrerer Stationen und auf dem linken Füllstände von Lagereinrichtungen an. Die Bildanzeige wechselte sehr schnell. Sie hatte eine Mine gefunden. Früher wurde diese Anlage genutzt, um Helium-3 abzubauen. Was naheliegend war, warum hätten auch nur Menschen damit etwas anfangen können? Technologisch würden die Fremden ihnen also mindestens ebenbürtig sein. Und militärisch? Bisher hatte Kira keine Hinweise auf übermäßig wehrhafte Technologien gefunden. Der Knüppel, der wie eine grifflose alte Schrottflinte aussah, war sicherlich keine ultimative Alien Waffe. Da hatten die Menschen im 23. Jahrhundert fantasievollere Möglichkeiten entwickelt, anderen das Leben zu nehmen.
»Was könnt ihr mir noch bieten?« Mit dem Finger berührte sie mehrere holographische Trigger, die die Anzeigen laufend veränderten. Schade, dass sie die Schriftzeichen nicht deuten konnte. Das würde sie noch lernen müssen. Sie tippte weiter und fand eine Karte, Absperrungen sowie Wege und Straßen. Das hatte sie gesucht, anhand des Sees, des Uferwegs und des Flugschachts konnte sie sich jetzt orientieren.
Dumm gelaufen, dachte sie, der Planung nach hätten die Fremden hier sicher sein sollen. Die hatten einen hohen Aufwand für ihre Sicherheit betrieben. Kira rief immer weitere Karten auf, ein Blick und weiter. Nichts davon würde sie wieder vergessen. Das war der Weg nach oben, sie hatte ihn gefunden. Perfekt, das war der kürzeste Pfad an die Oberfläche. Die Minenanlage wurde früher durch elektrische Sperrfelder gesichert, die nur noch teilweise aktiv waren. Ein massiver Erdrutsch hatte den Aliens überraschend ungebetene Gäste beschert. Eine durchaus unglückliche Angelegenheit, auch für Kira, da die Löcher im Zaun nie geflickt worden waren. Hier konnten jederzeit weitere Schneckenköpfe auftauchen. Sie sollte sich beeilen, ein Treffen mit den amphibischen Ureinwohnern von Proxima wollte sie sich sparen.
Doch da waren noch weitere Karten, nicht von Proxima, sondern von anderen Planeten, die Kira nicht kannte. Woher auch. Diese Spezies waren also ebenfalls Raumfahrer. Scheinbar welche, die auch dort ankamen, wo sie hinwollten und sich nicht um einige Sonnensysteme verflogen, wie die Menschen.
Mit dem Finger wählte sie weitere Symbole auf Proxima an. Solche Minen wie diese gab es hundertfach. Ob die auch verlassen waren, konnte sie nicht erkennen. Das wäre aber plausibel gewesen. Einige Zeichen veränderten sich eigenständig. Das könnten Zahlen sein. Eine Uhr? Seltsam, ob bei denen die Zeit rückwärts lief? Bestimmt nicht. Das war ein Countdown.
Alles begann zu blinken und die Farben veränderten sich. Auch die Bildschärfe verschwamm. Als ob jemand verhindern wollte, dass sie diese Informationen sah. Es schmerzte in den Augen, Kira blickte zu Boden. Der Blickschirm verdunkelte sich und ein unangenehmes Pfeifen wurde stetig lauter.
»Mist!« Sie musste einen Abwehrmechanismus aktiviert haben. Dieses System hätte sie gerne noch länger studiert, doch der Pfeifton wurde binnen weniger Momente unerträglich. Kira lief weiter, jetzt schneller, schnell weg von dem Pfeifen.
In den anderen Räumen gab es nichts, was auch nur im Ansatz nützlich aussah. Es gab auch keine Möbel oder andere dem Menschen bekannte Gebrauchsgegenstände. Alles wirkte fremd und
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