Genesis Secret
Hause zu fahren, für Lizzie »da« zu sein. Vielleicht sollte er einfach alles hinschmeißen. Die Sache mit dem Artikel entwickelte sich nicht wie erhofft. Er hatte es nicht einmal nach Laiisch geschafft. Allerdings sah es auch nicht so aus, als würde ihn ein Besuch in der heiligen Stadt der Jesiden in irgendeiner Weise weiterbringen. Die Jesiden waren zu verschlossen. Er sprach nicht genügend Arabisch oder Kurdisch, um hinter ihren uralten Obskurantismus zu kommen. Wie sollte er die Geheimnisse eines sechstausend Jahre alten Glaubens lüften, bloß indem er, brav »Salaam« murmelnd, in dieser uralten Stadt herumlief. Er war am Ende seines Lateins; seine Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde. Manchmal war es eben so. Manchmal verlief sich eine Story im Sand.
Rob steckte den Schlüssel ein und verließ sein Zimmer. Es war heiß, und ihm war nach einem Bier. Und gleich um die Ecke gab es eine nette Kneipe. Er machte es sich auf seinem gewohnten Plastiksitz vor dem Suleiman Cafe bequem. Robs aktueller Freund Rawaz, der Cafebesitzer, brachte ihm ein kaltes türkisches Bier und ein Tellerchen mit grünen Oliven. Das Straßenleben von Dahuk zog an ihm vorbei. Rob stützte die Stirn in die Hände und dachte über den Artikel nach. Wenn er an seine impulsive, entschlossene Begeisterung in Isobels Haus zurückdachte, kam ihm die Frage in den Sinn, wie er sich das damals eigentlich alles vorgestellt hatte: dass ihm ein mysteriöser Priester alles erklärte, am besten in einem geheimen Tempel mit blutrünstigen Reliefs an den Wänden? Im flackernden Schein von ein paar Ölfunzeln? Und selbstverständlich im Beisein einiger wie auf Bestellung aufgetauchter Teufelsanbeter, die sich bereitwillig fotografieren ließen? Doch statt sich seinen naiven Journalistentraum einzugestehen, trank Rob Efes-Bier und hörte grellen kurdischen Pop aus dem Musikgeschäft nebenan. Genauso gut hätte er in Sanliurfa sein können. Oder in London.
»Hallo?«
Rob schaute auf. Vor ihm stand, leicht verlegen, ein junger rundgesichtiger Mann in einer sauberen Jeans und einem gebügelten Hemd. Er machte einen gebildeten, etwas streberhaften Eindruck. Aber anständig und sympathisch. Rob forderte ihn auf, Platz zu nehmen. Er hieß Karwan.
Karwan lächelte. »Ich bin Jeside.«
»Aha …«
»Ich war heute im jesidischen Kulturzentrum, und ein paar Frauen haben mir von Ihnen erzählt. Von einem amerikanischen Journalisten. Der sich für Melek Taus interessiert.«
Rob nickte leicht verdutzt.
Karwan fuhr fort: »Sie haben gesagt, dass Sie hier sind. Aber sie sagen, dass Sie vielleicht bald abreisen, weil Sie nicht glücklich sind.«
»Ich bin nicht unglücklich. Ich bin nur … frustriert.«
»Warum?«
»Weil ich an einem Artikel schreibe. Über den jesidischen Glauben. Sie wissen schon - was Sie und Ihre Leute wirklich glauben. Er ist für eine britische Zeitung. Aber niemand will mir etwas darüber erzählen, und das ist ein wenig frustrierend.«
»Sie müssen verstehen, warum das so ist.« Karwan beugte sich vor und sah Rob ernst an. »Tausende von Jahren, Mister, wurden wir wegen unseres Glaubens angefeindet und getötet. Oder besser: wegen dem, wovon die Leute denken, dass wir es glauben. Die Muslime töten uns, die Hindus, die Tartaren. Alle behaupten, wir beten Shaitan an, den Teufel. Sie töten und vertreiben uns. Sogar Saddam hat uns getötet, sogar unsere kurdischen Landsleute töten uns, Sunniten und Schiiten, alle töten sie uns. Alle.«
»Genau deswegen will ich doch einen Artikel darüber schreiben. Um aufzudecken, was wirklich dahintersteckt. Was die Jesiden tatsächlich glauben.«
Karwan legte die Stirn in Falten, als versuchte er zu einer Entscheidung zu gelangen. Er schwieg eine ganze Weile. Und dann sagte er: »Gut, in Ordnung. So sehe ich die Sache. Ihre amerikanischen Landsleute, der große Adler, sie haben den Kurden geholfen, und sie haben die Jesiden beschützt. Ich sehe amerikanische Soldaten, sie sind gut. Sie versuchen wirklich, uns zu helfen. Deshalb … werde ich jetzt Ihnen helfen. Weil Sie Amerikaner sind.«
»Das würden Sie tatsächlich tun?«
»Ja. Und ich helfe Ihnen auch, weil ich ein Jahr in Amerika studiert habe, an der Texas University. Deshalb ist mein Englisch nicht so schlecht. Die Amerikaner, sie waren nett zu mir.«
»Sie haben an der UT studiert?«
»Ja. Sie kennen diese Universität? Die Kuhhörner. In Austin.«
»In Austin haben sie klasse Musik.«
»Ja. Eine tolle Stadt. Nur …« Karwan
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