Genesis Secret
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Die Straße führte durch Pinien- und Eichenwälder. Je weiter sie in die Berge hinaufkamen, desto klarer wurde die dunstige Morgenluft. Dann ging strahlend hell und warm die Sonne auf, und nach einer Weile senkte sich die Straße in ein sattgrünes Tal. An rauschenden Bächen standen ärmliche, aber reizvolle Steinhäuser. Schmutzige Kinder kamen winkend und strahlend lächelnd auf das Auto zugerannt. Rob winkte zurück und dachte an seine Tochter.
Die Straße wand sich endlos um einen großen Berg. Karwan erklärte Rob, der Berg sei eine der Sieben Säulen Satans. Rob nickte. Sie überquerten auf wackligen Holzbrücken reißende Gebirgsflüsse. Und dann hielten sie endlich an.
Karwan stieß Rob in die Seite. »Laiisch!«
Er hatte es geschafft. Das Erste, was er sah, war ein seltsamer kegelförmiger Bau mit einem geriffelten Dach. Es gab mehrere dieser konischen Bauten, alle um einen zentralen Platz gruppiert. Der Platz war voller Menschen, die singend auf und ab gingen. Im Gänsemarsch dahinschreitende alte Männer spielten auf langen Holzflöten. Rob stieg zusammen mit Karwan aus dem Pick-up und schaute sich um.
Aus einem schmutzigen Gebäude kam ein Mann in einem schwarzen Umhang. Er ging auf eine Reihe von Steintöpfen zu, in denen kleine Feuer brannten. Ihm folgten mehrere Männer in weißen Gewändern.
»Das sind die heiligen Feuer«, sagte Karwan und deutete auf die aus den Steintöpfen züngelnden Flammen. »Die Männer müssen siebenmal um die heiligen Feuer herumgehen.«
Jetzt drängte die Menge, immer denselben Namen rufend, nach vorn. »Melek Taus, Melek Taus!«
Karwan nickte. »Sie preisen natürlich den Pfauenengel.«
Die Zeremonie ging weiter. Sie war fremdartig und pittoresk und seltsam berührend. Rob beobachtete die Zuschauer der Zeremonie: Nach der anfänglichen Betriebsamkeit hatten sich viele Jesiden auf die grasbewachsenen Hänge des Tals zurückgezogen, von denen man auf die konischen Türme von Laiisch hinabsah: Sie bereiteten Picknicks mit Tomaten, Käse, Fladenbrot und Pflaumen vor. Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war ein warmer Tag in den Bergen.
»Jeder Jeside«, erklärte Karwan, »muss in seinem Leben ein Mal nach Laiisch kommen. Um eine Pilgerfahrt zum Grab von Sheikh Mussafir zu machen. Auf ihn gehen die Zeremonien der Jesiden zurück.«
Rob näherte sich dem schmuddligen Eingang eines Tempels, um hineinzuspähen. Im Innern war es dunkel, aber Rob konnte mehrere Pilger erkennen, die farbige Tücher um hölzerne Pfeiler schlangen. Andere legten Brot auf niedrige Borde. An einer Wand befanden sich Schriftzeichen, die Rob an die Keilschrift erinnerten. Es musste Keilschrift sein: die älteste und früheste Schrift der Welt. Sie reichte in die Zeit der Sumerer zurück.
Keilschrift! Als er sich wieder vom Tempel abwandte, fühlte Rob sich sehr privilegiert, an diesem Ort sein zu dürfen. Erstaunlich, dass so viel erhalten geblieben war: die Stadt, der Glaube, die Menschen, die Liturgie und die Rituale - und bewundernswert. Das Fest, wie überhaupt die ganze Atmosphäre in Laiisch, war in hohem Maß idyllisch, voller Poesie und herrlich pastoral. Einzig die scheußlich grinsenden Bildnisse Melek Taus’, des allgegenwärtigen Teufelsgotts, die an zahlreichen Wänden und Türen und sogar auf Plakaten prangten, wirkten bedrohlich. Doch die Menschen selbst machten einen freundlichen Eindruck. Sie freuten sich, in der Sonne zu sitzen und ihre sonderbare Religion auszuüben.
Rob wollte mit ein paar Jesiden sprechen. Er überredete Karwan, für ihn zu dolmetschen. Auf einer grasbewachsenen Stelle trafen sie eine gutgelaunte Frau, die ihren Kindern Tee einschenkte.
Rob beugte sich zu ihr hinab und fragte: »Können Sie mir etwas über das Schwarze Buch erzählen?«
Lächelnd stieß die Frau mit dem Finger auf Rob.
Karwan übersetzte, was sie sagte. »Sie sagt, das Schwarze Buch ist die Bibel der Jesiden und in Gold geschrieben. Sie sagt, ihr Christen habt es! Die Engländer. Sie sagt, sie haben uns unser heiliges Buch weggenommen. Und nur deshalb haben die Menschen im Westen Wissenschaft und Technik. Weil sie das Buch haben, das vom Himmel kam.«
Die Frau bedachte Rob mit einem warmen Lächeln. Und dann biss sie in eine große Tomate, sodass leuchtend rote Kerne auf ihr Hemd spritzten, was ihren Mann in lautes Gelächter ausbrechen ließ.
Die Zeremonie unten auf dem Platz war fast zu Ende. Die weißgekleideten jungen Männer beendeten ihren
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