Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
auch seine zweite Neigung, nämlich das Bauen von Maschinen. Allerdings hätte ihn das erste Experiment fast das Leben gekostet. Kein Wunder, er wollte auf dem Wasser laufen.
»Mein Plan war, an jedem Fuß zwei durch Gelenkbänder eng miteinander verbundene Bretter an der Schuhsohle zu befestigen.Meiner Theorie zufolge würden sich durch das Anheben des Beins (wie beim Laufen) die beiden Bretter zueinander hin öffnen, und das Wasser würde beim Hinabdrücken des Fußes zwischen den Brettern hindurchströmen, so dass diese sich zu einer ebenen Fläche schließen und dem Hinabsinken im Wasser großen Widerstand entgegensetzen würden.« 5 Mit diesen Wasserflügeln ausgerüstet versuchte Charles auf dem nahen Fluss Teign zu laufen. Anfangs funktionierte die Apparatur sogar halbwegs, doch dann verwickelten sich die Bänder, und Charles musste das tun, was im Wasser üblich ist: schwimmen. Dabei hatte er die Strömung erheblich unterschätzt und konnte sich nur mit Mühe und völlig erschöpft ans Ufer retten. Dennoch fand er die Apparatur ganz praktikabel, gestand aber: »Wenn ich später im Wasser war, vertraute ich jedoch lieber auf meine eigenen, nicht verstärkten Kräfte.« 6
Mit den Früchten eines ungezügelten Eigenstudiums in Mathematik vorbelastet ging Charles mit 19 Jahren ans Trinity College in Cambridge. Doch seine hohen Erwartungen an die altehrwürdige Institution, die durchaus für Mathematik berühmt war, wurden rasch enttäuscht. Die Lehrer konnten ihm nicht viel beibringen, weswegen er sich weiter auf das Studium eigener Lektüre stürzte. In wenigen Tagen arbeitete er ein Werk über Differential- und Integralrechnung durch. Wie nicht anders zu erwarten, tauchten dabei einige Fragen auf, mit denen er sich an mehrere Dozenten wandte. Nachdem ihm keiner weiterhelfen konnte, erfüllte ihn eine »starke Abneigung gegen die dortige Studienroutine und er verschlang die Arbeiten von Euler und anderen Mathematikern«. 7
Der Fachbereich Mathematik war ganz offensichtlich in einem erbärmlichen Zustand, was die Dozenten aber kaum belastete. Doch dann startete Babbage eine Aktion, die die Gelehrten unangenehm wachrüttelte. Es ging um einen alten Zwist zwischen Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz. Die beiden hatten sich im 17. Jahrhundert einen erbittertenStreit um die Erfindung der Differentialrechnung geliefert. Dabei verwendeten beide auch unterschiedliche Schreibweisen. Während Newton für die Ableitung einer Funktion als mathematisches Symbol einen Punkt über die Funktion setzte, schrieb Leibnitz davor ein d . Selbstverständlich blieben die britischen Mathematiker beim Punkt, was aber nach Babbages Auffassung unpraktisch war. Das war keine Haarspalterei, sondern eine Frage der Weiterentwicklung der Mathematik. Auf dem europäischen Kontinent verwendete man das Leibniz’sche d , was nach Ansicht des Mathematikers Anthony Hyman ein Grund dafür war, dass die »kontinentaleuropäische Mathematik einen raschen Aufschwung nahm«. 8
Babbage meinte es mit seiner Kritik absolut ernst und gründete mit einigen Mitstreitern die Analytische Gesellschaft, um »das Evangelium des d zu verkünden«. Bei dieser Kampagne lernte er unter anderem John Herschel kennen, dem er sein Leben lang eng verbunden bleiben sollte. Die Professoren nahmen die Analytische Gesellschaft nicht ernst, was aber nichts daran ändern konnte, dass sich die Leibniz’sche Notation langsam aber sicher auch in England durchsetzte.
Das Studium in Cambridge verlief für Babbage abgesehen von dem Gerangel um das d entspannt, aber irgendwann stellte sich die Frage nach einem Beruf. Die Mathematik versprach nichts Gutes, aber »eine kirchliche Laufbahn einschlagen kann ich nicht«, schrieb er Herschel. »Es ist ziemlich egal, was es ist; nur sollte es nicht zu viel körperliche Anstrengung erfordern.« 9 Doch für irgendetwas musste er sich entscheiden: Bergbau, Chemie? Er wusste es nicht. Sein Vater überwies ihm jährlich 450 Pfund. Davon konnte er bequem leben, aber er strebte finanzielle Unabhängigkeit vom Vater an, den er für »ungewöhnlich versessen aufs Geld« beschrieb und dessen Anwesenheit »eine Atmosphäre des Schweigens und der Bedrücktheit hervorrief«. 10 Der Vater hielt nichts von der brotlosen Kunst seines Sohnes, die ihm seiner Meinung nach nie das Geringste einbringen würde. Es gab noch einen weiterenGrund, weswegen Charles eine Arbeit benötigte: In Teignmouth hatte er sich in eine hübsche junge Dame namens
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