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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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Differenzmaschine 1851 auf der Weltausstellung in London zu präsentieren.
    Und noch dazu gab es dort eine andere Differenzmaschine zu bewundern: Ein schwedischer Drucker namens George Scheutz hatte zusammen mit seinem Sohn ein Modell gebaut. Scheutz war schon 1834 durch einen Artikel auf Babbages Maschine aufmerksam geworden und hatte ihn in London besucht. Zwanzig Jahre später hatte Scheutz eine Rechenmaschine konstruiert. Im Vergleich zu Babbages Modell wirkte sie »wie aus einem Kinderbaukasten«, aber sie konnte nach der Differenzmethode einfache Rechnungen ausführen und das Ergebnis in Form einer Druckmatrize ausgeben. Babbage besichtigte den Apparat 1855 auf der Weltausstellung in Paris und äußerte sich sehr lobend über ihn.
    Obwohl Babbage klar war, dass seine Maschinen nie gebaut würden, arbeitete er weiter an den mechanischen Konzepten. So war es ihm gelungen, die Differenzmaschine durch allerlei Kunstgriffe zu »verschlanken«. Schließlich fand er eine Lösung,mit der sie nur noch ein Drittel der ursprünglich vorgesehenen Teile benötigt hätte – und das, obwohl diese Differenzmaschine No. 2 wesentlich genauer gerechnet hätte als die Urversion.
    Im Jahre 1862 erfuhr sein Lebenswerk doch noch eine kleine späte Würdigung: Auf der Weltausstellung in London wurde seine mittlerweile fast dreißig Jahre alte Demonstrationsversion gezeigt. In seinen letzten Jahren erhielt er hin und wieder Besuch von Mathematikern, Forschern unterschiedlicher Couleur und auch von Laien, doch fast niemand konnte sein Werk angemessen würdigen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit starb er am 18. Oktober 1871 im Alter von fast achtzig Jahren.
    Babbage war nicht nur einer der begabtesten Mathematiker seiner Zeit, Erfinder der Rechenmaschine und Politökonom. Er brachte auch in vielen anderen Bereichen seine überbordende Kreativität zur Anwendung, zum Beispiel bei der Eisenbahn. Als Klagen von Fahrgästen über starke Erschütterungen laut wurden, ließ Babbage sich einen Waggon zur Verfügung stellen und installierte darin eine empfindliche Apparatur, die alle Erschütterungen registrierte und die Messwerte auf einer langen Papierrolle ausdruckte – eine mechanische Blackbox gewissermaßen. Er entwickelte eine farbige Bühnenbeleuchtung, ein Blinksystem zur optischen Informationsübertragung, ein Signalsystem für Leuchttürme, und er beschäftigte sich mit dem Kodieren und Dechiffrieren von Nachrichten. Doch für keines dieser Projekte engagierte er sich mit einer auch nur annähernd vergleichbaren Leidenschaft wie für seine Rechenautomaten.
    Als Babbages Arbeiten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts langsam wiederentdeckt wurden, stellten sich Fachleute die Frage: Hätten seine Maschinen wirklich funktioniert? Außer dem kleinen Demonstrationsmodell existierten ja nur seine Pläne. Im Jahre 1985 wollten es zwei Computerexperten wissen: Allan Bromley von der Universität Sydney und Doron Swade vom Wissenschaftsmuseum in London beschlossen, die Differenzmaschine No. 2 vollständig nachzubauen. Pünktlichzu Babbages 200. Geburtstag sollte sie fertig sein. Schon bald fühlten sie sich an Babbages Qualen erinnert: »Wir ließen uns auf ein äußerst komplexes Ingenieurprojekt ein, gerieten auf unbekanntes technisches Territorium, in Finanzierungsprobleme und in die typischen Verwicklungen eines Großvorhabens.« 23
    Als Erstes wurde klar, dass sie den Drucker streichen mussten, der allein aus 4000 Teilen bestanden hätte. Dann mussten sie Babbages Pläne Detail für Detail analysieren. Dabei fanden sie im Übertragungsmechanismus für die Zehnerstellen einen kleinen Fehler, den sie mit einfachen Mitteln korrigieren konnten. Bemerkenswert war die mechanische Präzision von 0,05 Millimetern, die Clement und Babbage eingehalten hatten.
    Im Jahre 1989 beauftragten Bromley und Swade ein Ingenieurbüro damit, Babbages alte Pläne in neue Konstruktionsvorschriften umzuwandeln. Insgesamt mussten 4000 Teile aus einer geeigneten Bronzelegierung angefertigt werden. Als es im Juni 1990 an den endgültigen Zusammenbau gehen sollte, ging die beauftragte Firma in Konkurs. In allerletzter Minute konnten Bromley und Swade eine Katastrophe abwenden, indem sie die beiden wichtigsten Ingenieure kurzerhand im Londoner Wissenschaftsmuseum anstellten. So gelang es ihnen mit einer neuen Firma, die Maschine fertigzustellen. Am 27. Juni 1991 stand das drei Tonnen schwere Ungetüm im Wissenschaftsmuseum – und rechnete fehlerfrei.
    Knapp

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