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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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Resultate in Buchstabennotation« liefern könne. Allerdings würde der Bau einer solchen Maschine einen Aufwand erfordern, der in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen stünde. Diese vagen Andeutungen zeigen jedoch, zu welchen geistigen Höhenflügen Babbage angesetzt hatte. Höhepunkt von Adas Anmerkungen war jedoch ein Programm zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen, anhand dessen sie die Fähigkeiten der Maschine exemplarisch darstellte. Diese von dem Schweizer Mathematiker Jakob Bernoulli 1712 eingeführte unendliche Zahlenreihe ließ sich verwenden, um die trigonometrischen Funktionen Tangens und Cotangens näherungsweise zu berechnen – ein Standardverfahren für das Erstellen nautischer Tafelwerke und dementsprechend von großem praktischen Interesse.
    Adas Programmierprogramm gilt aus heutiger Sicht als wegweisend. Aber sowohl ihre Arbeit als auch wesentliche Teile von Babbages Errungenschaften gingen verloren. Die Computerpioniere des 20. Jahrhunderts entwickelten ihre Konzepte ohne Kenntnis von Adas Vorarbeiten. Erst viel später wurden diese wiederentdeckt.
    Adas Biografen und Biografinnen haben Ende des 20. Jahrhunderts leidenschaftlich und kontrovers über die Frage diskutiert, wie groß ihr mathematisches Können wirklich war. Ohne Frage aber war sie eine bemerkenswerte Frau mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. In späteren Jahren durchlitt sie eine schwere private Krise, in der sie der Wettsucht verfiel, Ehebruch beging und sich zunehmend ihren Kindern entfremdete.Schließlich starb sie qualvoll im Alter von nur 37 Jahren an Gebärmutterkrebs. Auch für Babbage, den sie als Testamentsvollstrecker auserkoren hatte, war dies ein schwerer Schlag. Ihr zu Ehren wurde in den 1980er Jahren eine Programmiersprache Ada genannt.
    Babbage arbeitete ununterbrochen weiter an seiner Analytischen Maschine. 1843 füllten seine technischen Zeichnungen 400 bis 500 großformatige Blätter, wie er in einem Artikel im ›Philosophical Magazine‹ schrieb. Nebenbei machte er sich zum Beispiel Gedanken über die Frage, ob man einen Automaten dazu bringen könne, gegen einen Menschen ein Brettspiel zu führen – und zu gewinnen. Anfänglich interessierte ihn daran nur der philosophische Aspekt, doch dann kam ihm die Idee, ob er eine solche Maschine vielleicht öffentlich auftreten lassen könne. Mit dem Honorar, das solche Veranstaltungen einbringen würden, wollte er dann den Bau seiner Maschine finanzieren.
    Nach langem Überlegen war er davon überzeugt, »dass bei Vorgabe einer beliebigen Position der Figuren auf dem Brett … der Automat nach dem ersten korrekten Zug in der Lage sein müsse, das Spiel zu gewinnen«. 21 Dafür müsste die Maschine alle denkbaren Varianten kommender Züge ausrechnen und den besten auswählen. Schnell kam er zu dem ernüchternden Schluss: »Wenn man für ein sehr langes Schachspiel einhundert Züge für jede Seite annahm, überstiegen die Möglichkeiten der Analytischen Maschine hinsichtlich der involvierten Kombinationen bei weitem selbst die für ein Schachspiel erforderlichen.« Einfachere Brettspiele sollte sein Automat jedoch gewinnen können.
    Die philosophische Auseinandersetzung mit einem vorausschauenden, spielenden Automaten ließ ihn an der Existenz des Zufalls zweifeln. Er sah sich in geistigem Einverständnis mit Laplace, der Newtons Gesetze mit Bravour auf die Berechnung der Planetenbewegungen angewandt hatte: »Zufall ist nichts anderes als der Ausdruck menschlicher Unwissenheit.« 22 Babbage gab das Vorhaben auf, Spielautomaten für öffentliche Vorführungen zu bauen – nicht etwa, weil er es für undurchführbar hielt, sondern weil es zu spät für ihn geworden war, mit dem erworbenen Geld die Analytische Maschine zu bauen.
    Längst hatte sich Babbage über die Grenzen des Vereinigten Königreiches hinaus einen Namen gemacht. So besuchten ihn die berühmten deutschen Mathematiker Friedrich Wilhelm Bessel und Carl Gustav Jacobi und diskutierten eifrig über die Analytische Maschine. Aus dem Ausland wurden ihm so viele Ehrungen zuteil, dass ihm ein Freund spaßeshalber riet, Ordnung in seinen verworrenen, langen Titelschweif zu bringen, noch nie habe er einen solchen Meeraal von Ehrentiteln gesehen. Aber eine Ehrung lehnte er ab: die Erhebung in den Ritterstand. Auf seine Regierung, die ihn finanziell hatte fallen lassen, war er gar nicht gut zu sprechen. Seine Verbitterung nahm noch weiter zu, als man ihm die Möglichkeit verweigerte, das Modell seiner

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