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Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder

Titel: Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Buehrke
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andererseits hat er die aus dem Dach herausragende Kupferkugel im Blick. Als die Anlage bereit ist, gibt Tesla das Signal: »Jetzt!«
    Czito legt den Spannungshebel um, und schon geht es los: Aus der Sekundärspule züngelt ein Schwarm kleiner Entladungen hervor, an der Kugel entlädt sich mit einem peitschenartigen Knall ein starker Blitz. Czito schaltet den Strom wieder ab, alles scheint bestens zu funktionieren. Weitere Male gibt Tesla seinem Assistenten das Zeichen zum Anschalten, immer heftiger entladen sich die hohen Spannungen. Schon springen kleine, schmerzende Funken von der Schalttafel zu Czitos Hand über. Die von der Kugel ausgehenden Blitze werden ebenfalls immer dicker und länger und entladen sich mit immer lauterem Getöse. Doch plötzlich ist alles vorbei. Es herrscht Stille.
    Tesla mahnt seinen Assistenten, den Strom umgehend wieder anzuschalten, doch nichts regt sich. Aufgeregt greift Tesla zum Telefon und ruft beim Kraftwerk an. »Sie haben mir den Strom abgeschaltet! Schalten Sie ihn auf der Stelle wieder an!«, 2 herrscht er den zuständigen Techniker an. Doch der dreht den Spieß um und erklärt Tesla, er habe mit seinen »verrückten Experimenten« den Generator zerstört. Die Isolierungen haben sich entzündet, und die Kupferwicklungen sind durchgeschmolzen, was zu einem Kurzschluss geführt hat. Damit endet dieses denkwürdige Experiment auf Knob Hill.
    Glücklicherweise verfügt das Elektrizitätswerk über einen Ersatzgenerator, so dass die Stromversorgung bald wieder hergestellt ist. Tesla muss die Reparaturkosten von 79,99 Dollar bezahlen und kann dann mit seinen Experimenten fortfahren, doch sein Ziel erreicht er nicht: Die drahtlose Energieübertragung wird schließlich zu seinem persönlichen Waterloo.
    Tesla hat sich in eine Theorie verrannt, die aus physikalischer Sicht völlig haltlos ist. Er ist fest davon überzeugt – und meint auch, dies mit seinen Experimenten beweisen zu können –, dass die Erde ein elektrisch geladener Körper ist, der elektrische Wellen nahezu ungedämpft leitet. Seine Idee besteht darin, bei den Hochspannungsexperimenten Wellen extrem hoher Intensität zu erzeugen. Diese glaubt er über einen geeigneten Leiter an die Erde abführen zu können, so dass sie sich darin ungehindert ausbreiten können: »Ich konnte feststellen, dass die Erde von elektrischen Schwingungen geradezu belebt war«, 3 schreibt er.
    Der Trick besteht seiner Meinung nach darin, die Frequenz der erzeugten elektrischen Schwingungen genau so einzurichten, dass die Erde in Eigenschwingungen versetzt wird. Dieses Phänomen ist eher aus mechanischen Versuchen bekannt. Wenn man eine schwingende Schaukel immer dann anstößt, wenn sie ihren höchsten Punkt erreicht hat, wird sich die Schwingung immer mehr verstärken, ohne dass man die Schaukel stärker anzustoßen braucht. Tesla selbst verwendet gerne den Vergleich mit einer gefüllten Badewanne: Wenn man die Hand auf die Wasseroberfläche legt und diese im richtigen Rhythmus auf und ab bewegt, so wird das Wasser immer stärker auf und nieder schwappen, bis die Wanne überläuft. Auf analoge Weise könnte man nach Teslas Ansicht sogar die Erde zum Zerbrechen bringen, wenn man sie wenige Wochen lang mit elektrischen Schwingungen geeigneter Frequenz in Resonanz versetzte.
    Tesla ist davon überzeugt, dass sich die elektrischen Schwingungen nahezu ungehindert im Erdkörper ausbreiten, damit wäre es möglich, von einer Sendestation aus jeden Ort auf der Erde nahezu verlustfrei mit Energie zu versorgen. Man bräuchte dafür lediglich eine geeignete Empfangsanlage, die im Prinzip ähnlich konstruiert wäre wie der Sender, so, wie auch moderne Radiosender und Empfänger nach denselben Prinzipien arbeiten.
    Schon fünf Jahre später wähnt er sich dem Ziel ganz nahe und meint, »das Kraftwerk [könnte] im Laufe des Frühjahrs des nächsten Jahres in Betrieb gehen«, 4 wobei eine Spannung von hundert Millionen Volt »durch die Erde rauschen« sollte. 5 Und der ›New York Times‹ gegenüber stellt er 1907 die Frage: »Könnten Sie mir vielleicht einen Grund nennen, weshalb dieser Fortschritt nicht den Entdeckungen von Kopernikus ebenbürtig sein sollte?« 6 Bescheidenheit ist Teslas Sache nicht.
    Mehr als vierzig Jahre lang jagt er dieser Idee hinterher, bis er 1943 vereinsamt und verbittert in einem New Yorker Hotel stirbt. Er veröffentlicht nie wissenschaftlich belastbare Arbeiten, die es ermöglicht hätten, seine Experimente zu überprüfen.

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