Genom
Anblick, und Ingrid dachte, dass dieses Individuum zweifellos sehr von einem Meld profitiert hätte – ebenso wie von einem Bad.
Whispr überraschte sie erneut, indem er sich dem Penner in den Weg stellte. »Ich suche nach einer Dame, die Tomuk Ginnyy genannt wird.«
Der Bärenmann knurrte den Besucher an. Auch wenn man ihn genauer musterte, konnte man nicht erkennen, wo der wilde rote Bart endete und wo sein Brusthaar begann. »Hier wird nicht geangelt, Kleiner. Hier gibt’s auch nichts zu sehen.« Er hob seinen gewaltigen, haarigen Arm, der aus seinem dreckigen Ärmel herausragte, und deutete in Richtung Osten. »Da liegt Miavana. Das hier ist kein Ort für Touristen.«
»Ach nein? Ein hochgewachsener Meld namens Molpi hat mir erzählt, dass diese Tomuk eine gute Fremdenführerin sei.«
Der Einheimische blinzelte. »Molpi der Schreiter? Der hat euch hierher geschickt?«
»Nein«, fuhr ihn Whispr an, »wir haben dieses architektonische Highlight in einem Fremdenführer für das Feuchtgebiet gefunden.« Er sah absichtlich an dem Mann vorbei. »Oder vielleicht hätte ich eher archäologisches Highlight sagen sollen.«
Wut flackerte in den Augen des Einheimischen auf, wurde aber schnell von Heiterkeit abgelöst. Er hob die andere Hand und zeigte mit einem Daumen, der anhand seiner Farbe und Form an einem verwesenden Flusskrebs erinnerte, nach rechts. »Das dritte Haus da vorn. Aber seht euch vor und seid höflich. Die Leute hier mögen keine Überraschungen.« Dannrannte er an ihnen vorbei zu einem der Docks in der Nähe. Zu Ingrids Erleichterung war sein Ziel nicht das Dock, an dem sie ihr gemietetes Boot vertäut hatten.
Von außen sah das Gebäude, zu dem er sie geschickt hatte, nicht sehr beeindruckend aus, aber in der wenigen Zeit, die sie in Whisprs Gesellschaft verbracht hatte, war Ingrid klar geworden, dass man nichts, weder Menschen noch Besitztümer, nur anhand des Aussehens beurteilen sollte. Geld, das man zur Schau stellte, war Geld, das gestohlen wurde. Macht, die man zeigte, war Macht, die es zu brechen galt. Aus den Tiefen des Hauses antwortete eine mürrische Stimme auf Whisprs Frage.
»Molpi schickt euch?«
Als Whispr zur Bestätigung nickte, ging die Frau, die sich auf der Türschwelle materialisiert hatte, wieder ins Haus. Aufgrund des niedrigen Türsturzes mussten sie sich beim Eintreten bücken. Als Whispr durch die zweite Innentür ging, wurde ihm klar, dass jeder nicht willkommene Eindringling so auch ein besseres Ziel abgab.
Als sie den doppelten Eingang passiert hatten, zuckte Ingrid vor Freude zusammen. Die Temperatur im Inneren des Hauses war nicht nur niedrig – sie war fast schon arktisch. Ein Besucher, der sich zwanzig Minuten hier drin aufhielt, musste anfangen zu zittern. Das erstaunliche künstliche Klima ließ nicht nur einen exzentrischen Geschmack vermuten, sondern auch die Mittel, um sich diesen leisten zu können.
Der Hauptraum glich einer Mischung aus einem Elektroniklabor und einer mongolischen Jurte. Eher aus einer Laune heraus als anhand eines dekorativen Plans standen überall primitive Geräte herum, neben denen sich weitaus modernere befanden. In der Mitte des runden, kuppelförmigenDachs der Kammer drehte sich ein uralter, aber lautloser Ventilator und drückte die kühle Luft nach unten. Ingrid ging sofort an die Seite, wo es zwar nicht warm, aber immerhin nicht ganz so eisig war.
Ihre Gastgeberin war eine kleine, robuste Meld von etwa Mitte vierzig, die ihnen bei der Begrüßung unter anderem eröffnete, dass sie aus Thule eingewandert war. Wie eine Inuit aus Grönland im heißen Feuchtgebiet von Südflorida gelandet war, wollte sie ihnen aber anscheinend nicht genauer erzählen. Mit Ausnahme ihrer Füße sah sie nach Ingrids Meinung wie eine Natural aus. Diese waren jedoch riesig, hatten eine raue Haut und steckten in handgefertigten Sandalen. Das erste Meld hatte ihre Füße in Schneeschuhe verwandelt. Im Verlauf ihrer langen Reise in das Feuchtgebiet hatte sie offenbar entschieden, das Meld in Flossen umzuwandeln. Diese waren zwar erkennbar, aber bei Weitem nicht perfekt. Die Füße der immigrierten Inuit sahen jetzt eher aus wie die Pfoten eines Seehunds. Ingrid musterte sie kurz, bildete sich ihre Meinung und sah dann wieder auf. Schockiert war sie nicht. Als Ärztin hatte sie schon weitaus ungewöhnlichere Melds gesehen.
»Genug geplaudert«, flötete ihre stämmige Gastgeberin dann. »Ich bin eine vielbeschäftigte Frau. Du sagst, dass dich Molpi
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