Genom
wanderte träge auf die Insel zurück. Whispr wusste mit Gewissheit, dass er es nicht der unangenehmen Reaktion seines Körpers zu verdanken hatte, dass er noch am Leben war, sondern der Tatsache, dass die gewaltige Katze den erbärmlichen, um sich schlagenden Menschen nicht als Konkurrenz um sein bereits erlegtes Steak ansah.
Anstelle des erwarteten tödlichen Bisses in den Schädel hatte Whispr nur einen verärgerten Prankenhieb über den Rücken erhalten. Ohne Spiegel konnte er den erlittenen Schaden jedoch nicht begutachten. Dank seines biegsamen schlanken Körpers war er allerdings in der Lage, nach hinten zu greifen und das Gebiet abzutasten. Bei dem Kontakt zuckte er vor Schmerzen zusammen, und es war Blut an seinen Fingern, wenngleich nicht sehr viel. Er versuchte, das Brennen zu ignorieren, und taumelte und schwamm weiter in Richtung Nordwesten. Das Gefühl an seinem Rücken war in etwa so, als hätte jemand einen Neunkilowälzer genommen und die Kanten über seinen Deltamuskel gezogen: einhundert Papierschnittwunden an ein und derselben Stelle. Es tat weh, aber es würde ihn nicht umbringen.
Der Prankenhieb mochte nicht tödlich gewesen sein, doch wenn er nicht bald etwas zu essen auftrieb, würde er möglicherweise verhungern. Er lief weiter. Nach vielen Jahrzehnten, in denen dieses Gebiet unter Naturschutz stand, hatte das Wasser dank der Filterung durch Röhricht, Mangroven und Sauergras, in dem es sich fortbewegte, durchaus wieder Trinkwasserqualität, aber er wurde trotzdem stündlich schwächer. Seine letzte feste Mahlzeit war schon viel zu lange her, und sein schlanker Körper verfügte über keinerlei Fettreserven. Er brauchte etwas zu essen.
Ist ja wieder typisch , dachte er. Er war der Polizei, den Gefahren das Sumpfes und dem Tod durch einen Jaguar entronnen, nur um dann zu sterben, weil er keinen Verkaufsautomaten finden konnte.
Es war Nachmittag und unglaublich schwül, als er den abgelegenen Fischereiposten entdeckte.
Schmutzig weiße, muschelverkrustete Masten mit mehreren Netzen, die von elektronischen Minibetäubungswaffen gespickt waren, wiesen das Gebäude als Behausung eines Fischers aus. Zwar waren die Lizenzen für die breiten Ausdehnungen der Küstenschutzgebiete schwer zu kriegen, doch Individuen und Familien, die das Glück hatten, eine zu erhalten, konnten gut vom Fischen innerhalb der zugewiesenen Grenzen leben, da die großen kommerziellen Unternehmen hier nicht operieren durften. Der Großteil ihres Fangs landete in den Restaurants und auf den Märkten von Savannah. Jeglicher Überschuss wurde vom unersättlichen Markt des Ballungsgebietes von Atlanta aufgesaugt.
Der vorsichtige Whispr nutzte jeden Pfahl, Haufen, Baum und Busch als Deckung und schlich sich langsam zum Gebäude. Die Wunden an seinem Rücken brannten. Er konnte nur hoffen, dass einige der exotischeren Parasiten aus dem Reservat noch nicht den Weg in die offenen Wunden gefunden hatten.
Von außen sah es so aus, als würde dieses einfache Unternehmen gut laufen, den Besitzer jedoch nicht reich machen. Hinter der Mauer aus Trockennetzen stand ein Bootshaus aus vorgeformten durchlässigen Schaumsegmenten am Wasser, das grün und braun angestrichen worden war, um sich seiner Umgebung anzupassen. Dank der fehlenden scharfen Kanten und einer Verankerung tief in der Erde konnte es von den Orkanen, die diesen Teil der Atlantikküste ständig heimsuchten, nicht in den nächsten Staat gepustet werden. Einige höher gelegene Wege verbanden das Bootshaus mit einer Verarbeitungshütte und einem weiter hinten gelegenen Wohnhaus. Letzteres erstreckte sich über mehrere erhöhte Plattformen und sah aus, als wären nach und nach, Jahr für Jahr, weitere Räume hinzugefügt worden. Mehr Profit, mehr Räume, dachte Whispr.
Zwei elektrische Jetboote lagen im Bootshaus. Die beiden Ankerplätze daneben waren leer, daher nahm Whispr an, dass ihre Besitzer zum Fischen gefahren waren. Er leckte sich über die Lippen. Wenn er sich eines der beiden Fahrzeuge aneignen konnte, dann würde er sich so einige Tage Lauferei durch das Reservat ersparen. Außerdem müsste er nicht das Risiko eingehen, sich eine Mitfahrgelegenheit in die Stadt zu suchen. Sobald sein Bild veröffentlicht worden war, führte er als Anhalter ein gefährliches Leben. Bevor ein Autofahrer jemanden mitnahm, der mit erhobenem Daumen am Straßenrand stand, konnte er dessen Bild so schnell und einfach wie in jedem Polizeiwagen durch das Informationssystem des Scooters
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