Genom
verbrachte Whispr die halbe Nacht damit, sich immer näher an seine Wohnung heranzuarbeiten. Er konnte jedoch keinerlei Hinweise darauf entdecken, dass die Polizei in dieser Gegend aktiv war, oder irgendwo einen Polizisten ausmachen.
Nachdem er seine Identität bestätigt hatte, ließ ihn der automatisierte Concierge herein. Der Eingang seiner Wohnung war fast ebenso beengt wie der Flur. Die vier Zimmer, die er bewohnte, ließen sich jedoch als überraschend geräumig bezeichnen. Sie waren mehr als ausreichend für ihn. Die großzügige Wohnfläche spiegelte den Erfolg wider, den seine und Jiminys diversen verwerflichen nächtlichen Streifzüge gehabt hatten. Sie würden ihm fehlen.
Natürlich durfte er nicht hier bleiben. Die Polizei konnte jeden Augenblick eintreffen. Da er sich so lange auf ihre Schwerfälligkeit verlassen hatte, beschloss er, dass er auch bis zum Morgen warten konnte, bis er seine Wohnung wieder verließ. Nachdem er sich stundenlang durch das Wasser im Naturschutzgebiet südlich der Stadt gekämpft hatte, brauchte er dringend eine gute warme Mahlzeit und eine Mütze voll Schlaf. Am nächsten Tag wollte er aufbrechen.
Wie es bei allen aus seinem Berufszweig üblich war, gab es in seiner ruhigen Wohnung nichts, was nicht gemietet oder aus zweiter Hand gekauft worden war. Mit anderen Worten: nichts, das er nicht problemlos zurücklassen konnte. Er kochte auf dem Herd so viel, wie dieser zu fassen vermochte, und wartete dann zehn Minuten, bis sein Essen fertig war. In den kommenden Monaten würde er auf der Straße leben und gelegentlich Zuflucht in einem sicheren Haus suchen. Sobald sich die Aufregung um den Touristen, den sie umgebracht hatten, gelegt hatte, würde er sich ein neues semipermanentes Apartment suchen, um darin zu leben.
Doch wie er am folgenden Tag herausfinden sollte, würde sich die Aufregung, zumindest was seine unmittelbare Zukunft betraf, so schnell nicht legen.
5
Als er die Wohnung am nächsten Morgen endlich verließ, war sein Rucksack breiter als der Rücken, auf dem er ruhte. Dank der Autostabilisierung ließ er sich trotzdem gut tragen. Bevor er sich widerwillig von seiner Wohnung verabschiedete, hatte er noch einmal gut gegessen, sich geduscht und gründlich enthaart. Diese übermäßige Konzentration auf die Körperpflege hatte ebenso praktische wie ästhetische Gründe. Wenn die Polizei schon nach ihm suchte, dann war das Letzte, was er wollte, aufgrund eines ungewöhnlichen Körpergeruchs oder eines ungepflegten Erscheinungsbilds die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen zu erregen.
Ein Blick zum Himmel ließ vermuten, dass es an diesem Tag nicht regnen würde, allerdings konnte man angesichts dessen, was in den letzten paar Jahrhunderten mit dem Klima geschehen war, alle Wettervorhersagen, die länger als vierundzwanzig Stunden im Voraus gemacht wurden, ohnehin nur mit Vorsicht genießen.
Die Art von Meld, die er benötigte, konnte er gleich bei mehreren Dutzend Einrichtungen, die im ganzen Stadtgebiet verteilt waren, erhalten. Jede davon war sauber, effizient, hatte vergleichsweise vernünftige Preise und würde seine einfachen Anforderungen problemlos erfüllen können. Dummerweise würden sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen seine Anwesenheit und die durchgeführten Prozeduren vermerken. Außerdem würden sie eine potenziell belastende Menge an Zusatzinformationen speichern, die er jedoch nicht bereitwillig preisgeben wollte. Da er sich zwischen Sauberkeit, Effizienz und fairem Preis auf der einen Seite und der Bewahrung seiner Anonymität auf der anderen entscheiden musste, brauchte er nur eine knappe Minute, um seine Auswahl zu treffen.
Er suchte Barracuda auf.
Trotz seines für einen Melder unglücklichen Namens blieb Barracuda Chaukutri dem Motto stets treu, das er sich für sein Geschäft gegeben hatte: »Jedes Meld, jederzeit, an jedem Ort.« Er operierte von seinem dritten mobilen OP aus, nachdem die ersten beiden nacheinander im Verlauf von Zwischenfällen, bei denen seine halblegalen Melds weniger gut verlaufen waren, als von seinen Kunden geplant, von den Behörden konfisziert worden waren. Besonders ein Vorfall war in Erinnerung geblieben, bei dem eine von Chaukutris Behandlungen völlig schiefgelaufen war und unschön geendet hatte. Doch ‘Cuda Chaukutri hatte es irgendwie geschafft, trotz dieses Pfuschs mit anschließendem Organversagen Sanktionen und sogar der Verhaftung zu entgehen und war jetzt zum dritten Mal wieder im Geschäft.
Nach
Weitere Kostenlose Bücher