Genosse Don Camillo
ihr den Namen und die
Adresse des Mädchens gegeben, und sie hat sofort einem Freund, der in Stalino
ein Bonze ist, geschrieben .«
Scamoggia unterbrach sich. Er
zog ein mit der Maschine beschriebenes Blatt aus der Tasche und reichte es Don
Camillo.
»Heute ist die Antwort
eingetroffen«, fuhr er dann fort.
Don Camillo drehte das Blatt in
den Händen und schüttelte den Kopf.
»Für mich ist das soviel wie
nichts«, brummte er. »Ich kann nicht Russisch .«
»Da ist auch die italienische
Übersetzung«, fügte Scamoggia bei, und gab ihm ein anderes, mit Bleistift
beschriebenes Blatt.
Es besagte mit wenig Worten
viel. Sonja war in einer Isba nahe den feindlichen Linien von einer
motorisierten sowjetischen Abteilung entdeckt worden. Sie trug einen
italienischen Militärmantel und erklärte, es wäre ihr gelungen, den Italienern,
die sie auf ihrem Rückzug vom Dorfe K. verschleppt hätten, zu entfliehen. Sie
wurde nach K. zurückgebracht und dem Dorfchef übergeben. Da man dort Bescheid
wußte, hatte man Sonja angeklagt, dem Feind aus freiem Willen gefolgt zu sein.
Sie wurde wegen Kollaboration mit dem Feind verurteilt und erschossen.
Scamoggia versicherte
entschlossen:
»Ich werde es dem Gibetti
bestimmt nicht sagen. Halt es, wie du willst, Genosse. Wenn du es als angezeigt
erachtest, dann bring ihm bei, daß ihm die Russen seine Sonja gemordet haben;
sag es ihm. Wenn du es ihm nicht sagst, so sei dir bewußt, daß er zu allem
entschlossen ist, auch zum Ausreißen, bloß um hier zu bleiben. Ich wasche meine
Hände in Unschuld .«
Der Genosse Scamoggia ging und
ließ ihn allein.
Niemand wird sich vorstellen,
daß ausgerechnet in der Sowjetunion keine kleinen Sendlinge des Teufels im
Umlauf sind!
Don Camillo fand sofort einen
zu seinen Füßen, der ihn am Saum der Kutte zog, die er im Geiste immer trug,
einen vermaledeiten Schwätzer, der sich abplagte, ihm zuzuflüstern:
»Mut, Hochwürden, erledige auch
den Genossen Gibetti !«
Don Camillo befreite sich mit
einem Fußtritt von dem kleinen Satanas, und da in diesem Augenblick Peppone ins
Zimmer trat, gab er ihm die beiden Blätter in die Hand. Dabei sprach er:
»Genosse, ubi maior,
minor cessat . Wie man mir die Erbse gab, gebe ich sie weiter .«
Dann erzählte Don Camillo, da
die beiden Blättchen nicht genügten, den Sachverhalt klarzulegen, dem Peppone
die Geschichte haargenau.
Als er fertig war, verschloß
Peppone die Türe doppelt und machte sich Luft:
»Zehn !« brüllte er. »Zehn, die die Allerbesten der Besten sein sollten! Rondella kommt
nach Rußland, um Erbsen zu säen, und läßt sich nach Hause schicken. Scamoggia
kommt mit Parfüm in der Tasche, um den Casanova zu spielen; Capece, um ihm
Konkurrenz zu machen; Bacciga, um am Schwarzen Markt Geschäfte zu machen;
Tavan, um das Licht auf das Grab des Bruders zu stellen; Peratto soll
Fotografien für die ›Unità‹
machen und macht andere, um sie
den dreckigen kapitalistischen Zeitungen zu verkaufen; er glaubt mich zu
hintergehe n, aber ich habe es gemerkt! Und jetzt deckt auch Gibetti, der ein idealer Genosse schien, die Batterien auf! Ist es
möglich, daß nicht einer der zehn gekommen ist, nur zum Zwecke, die Sowjetunion
zu sehen? Alle haben also verfluchte Privatinteressen !«
Don Camillo versuchte ihn zu
trösten:
»Du bist ungerecht, Genosse.
Curullu und Friddi Li scheinen völlig verläßliche und uneigennützige Genossen
zu sein .«
»Schöne Sache! Zwei Affen, die
nie das Maul aufmachen und dir nicht einmal ›Guten Tag‹ sagen, um sich keine
Blöße zu geben.«
»Du vergißt den Genossen
Tarocci«, stellte Don Camillo frecherweise fest.
»Tarocci ?« knurrte Peppone wie aus den Wolken gefallen.
»Was für ein Tarocci?«
Dann erinnerte er sich, und
indem er sich breitbeinig vor Don Camillo hinpflanzte, schwenkte er einen
Zeigefinger, der vor Empörung bebte, unter dessen Nase.
»Ihr«, keuchte er, »Ihr werdet
machen, daß ich herzkrank nach Hause komme !«
Der Atem versagte ihm, und er
fiel aufs Bett.
»Ihr habt mich erpreßt«,
stammelte er, »Ihr habt mich in eine schmutzige Sache verwickelt, und ich
würde, wenn man es zu wissen bekäme, vor der ganzen Welt lächerlich dastehen.
Seit ich Euch auf dem Tram in Rom begegnet bin, erlebe ich die schlimmsten
Stunden meines Lebens. Seit jenem Augenblick steht jedesmal, da ich sehe, daß
Ihr den Mund auftut, mein Herz still. Das Essen bleibt mir wie Zement im Magen
liegen. Nachts geht es von einem Alpdruck zum andern, und am
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