Gentec X 02 - Der Untergang von Chicago
Kulturen waren entstanden und wieder verschwunden. Stolze Empires hatten sich erhoben, von den alten Kulturen im Zweistromgebiet von Euphrat und Tigris angefangen, über das Imperium Romanum und das Englische Empire hin, das dann zum Commonwealth wurde, die mächtigen asiatischen Machtblöcke und die führende Weltmacht der USA.
Oft hatten die Menschen mörderische Kriege und Katastrophen erlebt, den Untergang von allem, was ihnen lieb und wert war. Hatten mit ansehen müssen, wie fremde Eroberer, deren Mentalität ihnen fremd war und die sie ob ihrer Grausamkeit und Andersartigkeit verabscheuten alles um sie herum zerstörten.
Schon im Altertum waren Städte in Feuersbrünsten untergegangen und hatten Plünderung, Mord und Terror geherrscht, wenn Umwälzungen stattfanden. Die überlegene oder stärkere Rasse setzte sich durch. Der Stärkere fraß den Schwächeren, wobei es in der menschlichen Entwicklung oft so gewesen war, dass die unterjochte Kultur ihre Bezwinger beeinflusste und verwandelte.
Wie würde es diesmal sein? Nach allem, was ich wusste, wollten die Gencoys die Menschheit auslöschen und ihre traurigen Reste nur noch als Ressourcen dulden. Als Nutztiere, auf Menschenfarmen oder in speziellen Reservaten, um aus ihnen Rohstoffe zu gewinnen.
H. G. Wells hatte in seinem 1895 erschienenen SF-Pionierroman »Die Zeitmaschine« bereits ein ähnliches Szenarium entworfen. Bei ihm hatte sich die Menschheit im Jahr 802.701 in zwei gegensätzliche Rassen aufgespaltet, die Eloys und die Morlocks. Erstere lebten oberirdisch friedlich und idyllisch in einer paradiesischen Umgebung, unreflektiert, sorgenfrei, alle jung und ohne jegliche Technik.
Die finsteren Morlocks hausten unterirdisch wie staatenbildende Insekten in Höhlen. Sie hatten eine rudimentäre, auf ihre Zwecke zugeschnittene Technik, hielten die oberirdischen Eloys wie Vieh und ernährten sich von ihnen.
Die Gencoys waren jedoch keine Morlocks. Wovon sich ihre verschiedenen Spezies ernährten, welche Nahrung sie brauchten, wusste ich nicht. Doch dass sie sich haushoch über den Menschen stehend wähnten und sie als Ungeziefer – als Bugs – bezeichneten, war mir bekannt.
Wir erreichten mit aller Vorsicht, uns gegenseitig mit den Waffen deckend, die Oberfläche. Hier war die Dempster Street in einer nördlichen Vorortgegend von Chicago. Nördlich der Dempster Street, die sich kerzengerade in Richtung Lake Michigan dahinzog, befanden sich ein großer Golfplatz und ein weitläufiges Einkaufscenter, südlich war das Lutheran General Hospital, ein großer Bezirk mit Hochhäusern und Gebäudekomplexen für die verschiedenen medizinischen Abteilungen. Ansonsten gab es Wohn- und Geschäftshäuser.
Es dämmerte schon. Als erstes fiel mir auf, dass die Straßenbeleuchtung noch nicht brannte, was der Fall hätte sein sollen. Als wir aus der Subway Station lugten, auf der Treppe stehend, die nach unten führte, bot sich uns ein Szenarium des Grauens, das mich aufstöhnen ließ.
Autowracks und verlassene, teils brennende Autos. Zerbrochene Fensterscheiben und eine Menge Glasscherben auf den Straßen, Tote – soweit ich es erkennen konnte hauptsächlich Menschen – und Blutlachen. Soweit das Auge schaute Zerstörung. Es roch brenzlig. Rauch zog durch die Straßen.
Ein flacher Panzerwagen der US-Army stand, von Laserkanonen zerstört, mitten auf der Straße. Das sagte mir dreierlei, nämlich dass die Army eingegriffen hatte, und dass sie heftig gegen die Gencoys kämpfte. Und, nach dem, was ich erlebt hatte – wobei dieses keine Gesamtübersicht bot – sich nicht gegen sie durchsetzen konnte.
Von dem Panzerwagen war die Kette heruntergefallen. Er war halb verschmort und brannte. Eine Leiche, an der das Feuer fraß, hing im Einstieg. Ich glaubte, den Gestank brennenden Fleisches bis zu mir hin zu riechen.
Die Philippinin schluchzte hinter mir. Nick sog scharf die Luft ein.
»Sag jetzt nicht Mein Gott «, sagte ich kratzbürstiger, als ich wollte. »Der ist es nicht gewesen.«
Nick lachte halb irre.
»Ob die Gencoys auch einen Gott haben, der ihnen gebietet, die Menschheit auszurotten?«
»Das ist meine geringste Sorge«, erwiderte ich.
Ein Stück entfernt wurde nach wie vor geschossen und krachten Explosionen. Gerade als ich hinschaute, fiel ein Gebäude mit fünfzehn Stockwerken in sich zusammen. Der Häuserblock musste gesprengt worden sein, ob von der Army oder den Gencoys wusste ich nicht.
Tornado-Düsenjäger und Phantom-Kampfflugzeuge jagten
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