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Gentlemen, wir leben am Abgrund

Gentlemen, wir leben am Abgrund

Titel: Gentlemen, wir leben am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pletzinger
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wichtige Rolle hatte spielen sollen. Staiger stammte aus Ulm, hatte aber die letzten Jahre für die Iowa State University gespielt. Ein junger Flügelspieler, Position Shooting Guard, der Dreipunktewürfe wie ein Automat traf. Er hatte als Wunderkind gegolten, war in Iowa aber auf seinen unglaublich akkuraten Dreier reduziert worden. Weil er mit dieser Rolle nicht zufrieden gewesen war, hatte Berlin ihn zum Ende der letzten Saison verpflichtet.
    »Er ist das Loch in unserer Rüstung«, hatte Pavi ć evi ć Staigers Defizite in der Verteidigung kommentiert. »Er ist unsere Achillesferse.« Pavi ć evi ć hatte deshalb den Frühsommer mit Staiger in der Halle verbracht, sie hatten sich vor allem auf die defensive Fußarbeit konzentriert. Aber Staiger hatte sich entschieden, die Weltmeisterschaft in der Türkei dem Trainingslager in Slowenien vorzuziehen, Nationalmannschaft statt Alba Berlin. Jetzt war der Coach verärgert. »Er wird dort nicht spielen«, sagte er und klang frustriert. »Er wird dort auf der Bank sitzen und unsere Vorbereitung komplett verpassen. Er sitzt auf Mallorca in der Sonne, anstatt in Kranjska Gora täglich vier Stunden hinter Julius Jenkins herzurennen.«
    Luka Pavi ć evi ć sprach den Namen seines Namensvetters kurz und hart aus. Staiga Staiga, er warf den Namen vor sich auf den Tisch, in seinen Augen die traurige Enttäuschung eines engagierten Lehrers. »Er istkein Spieler, der schlau oder erfahren genug wäre, um unser Spiel ohne grundlegende Vorbereitung zu verstehen. Er braucht das Trainingslager, um uns helfen zu können. Aber er will Mallorca, also wollen wir Ersatz.«
    Pavi ć evi ć sah in seine leere Kaffeetasse, stand auf und steckte seine Spickzettel vorn in den Hosenbund. »That Taylor-Kid«, murmelte Pavi ć evi ć , »maybe that Taylor-Kid.«
    Der Coach und die Manager hatten auf der Suche nach einer Vertretung für Staiger etliche Kandidaten geprüft und die Suche dann auf zwei Spieler eingeengt: den Litauer Reinaldas Seibutis, der die letzte Saison in Bilbao gespielt hatte, und den Amerikaner Bryce Taylor von der University of Oregon. Taylor hatte schon zwei Jahre Erfahrung im europäischen Basketball vorzuweisen: Er hatte ein Jahr für Montegranaro in der ersten italienischen Liga gespielt und war vor der letzten Saison nach Deutschland gewechselt. Er hatte 2009/10 für die Telekom Baskets Bonn eine solide Saison gespielt, sich dann aber in der entscheidenden Saisonphase am linken Sprunggelenk verletzt. Bonn war in den Playoffs ausgeschieden. Taylor war am College ein bissiger Verteidiger und sicherer Schütze gewesen, als Senior hatte er für die Oregon Ducks im Finale des Pac-10-Tournament das Spiel seines Lebens gemacht, elf Würfe, sieben Dreier, ohne einen einzigen Fehlwurf, The Perfect Game .
    Seibutis war in der Vereinsführung trotzdem der Favorit gewesen. Er hatte bereits ein Probetraining in Berlin hinter sich, und das Budget von Alba Berlin hätte gerade eben noch genug Raum für einen gestandenen Spieler wie Seibutis gelassen. Damit hätte man den Spielraum für weitere Neuverpflichtungen ausgeschöpft und während der Saison nicht mehr reagieren können. Mit einem weniger erfahrenen Spieler würde man ein Risiko eingehen, und Pavi ć evi ć verabscheute Risiken. Deshalb wollte er Taylor nur einen Kurzvertrag anbieten.
    Die Spieler sammelten sich in der Lobby, um zum Training zu gehen, Demirel stand abseits und telefonierte mit Taylors Agenten Brad Ames und Patrick King, einem deutsch-kanadischen Exprofi, der etliche Amerikaner in der Bundesliga vertrat, auch Derrick Allen und Julius Jenkins waren seine Klienten. Zwischen Demirel und den Agenten ging es um die Laufzeit des Vertrages, sie hatten heute schon zehn Mal miteinander telefoniert, Rücksprache genommen, wieder telefoniert. Staiger war auf der Position des Shooting Guards gesetzt, aber Pavi ć evi ć s Intuition sagte ihm, dass sich Alba absichern musste.
    Taylor hatte Probleme mit dem Jumper’s Knee, dem Patellaspitzensyndrom, einem typischen Problem athletischer und sprungstarker Spieler. Taylor und sein Agent wollten einen Einjahresvertrag, Pavi ć evi ć wollte zunächst nur den Saisonbeginn absichern und sich vor Eventualitäten schützen. Sollte Staiger wider Erwarten gut in die Saison finden, wäre das Team auf der kleinen Flügelposition überbesetzt und das Geld für einen langfristigen Vertrag verschwendet. Demirel legte auf und sah erst fragend sein Telefon, dann Pavi ć evi ć an. »No move

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